Mehr als ein „Spiel um nichts“?
In der Vorwoche konnte der 1. FC Nürnberg endlich die Punkte 38, 39 und 40 einfahren. Von großer Erleichterung war danach nichts zu spüren. Zu enttäuschend liefen die vorherigen Wochen, um sich über den Klassenerhalt zu freuen. Mit 40 Punkten verzeichnet der FCN derzeit nur einen Punkt mehr als in der Vorsaison, mit einem Remis oder einer Niederlage in Hamburg könnte die Fiél-Elf zudem noch auf Platz 14 in der Tabelle abrutschen. Apropos Hamburg: auch der HSV spielt eine enttäuschende Saison und kann am letzten Spieltag maximal noch den 4. Rang verteidigen. Der Trainerwechsel von Tim Walter zu Steffen Baumgart brachte keine Besserung, im Gegenteil. Unter dem ehemaligen Köln-Trainer konnten die Rothosen lediglich 17 Punkte aus 11 Spielen einfahren und rutschten dadurch aus den Top-3. Club-Trainer Fiél möchte die Spielzeit aber nicht in Ruhe ausklingen lassen: „Wir fahren nicht zum Spaß zum HSV. Wir wollen die Saison mit einem Sieg beenden.“
Zeit für die Jugend?
Während Steffen Baumgart ankündigte, keine Experimente machen zu wollen, gab Fiél bereits die ein oder andere Umstellung bekannt. Definitiv im Tor stehen wird Jan Reichert, worüber der CLUBFOKUS schon hier berichtete. Dass es mehr Spieler der U23 des FCN in die Start-11 von Fiél schaffen könnten, sieht nicht danach aus. Zumindest wenn man die Aufstellung der U23 in ihrem letzten Saisonspiel am Samstag gegen Schalding betrachtet. Denn junge Spieler wie Joachims, Kania, Gögce oder Forkel, die in der Regionalliga Bayern zu gefallen wussten, standen allesamt von Beginn auf dem Platz. Selbiges wird ihnen am darauffolgenden Tag beim Spiel der Profis wohl kaum erneut widerfahren.
Was für ein Gegner erwartet den 1. FC Nürnberg?
Unter Steffen Baumgart ist das klassische „Spielen und Gehen“, das unter Tim Walter zu sehen war, kaum noch vorhanden. Stattdessen agiert man deutlich vertikaler sowie pragmatischer im Spielaufbau und positioniert sich für diesen häufig in einer 3-2-Staffelung. Das größte Problem ist allerdings das Spiel im letzten Drittel gegen tief verteidigende Gegner, wie sie der HSV oftmals zu bespielen bekommt. Man schafft es kaum, durch das Zentrum Lösungen zu finden und freie Räume aufzuziehen. Stattdessen schlägt man extrem viele Flanken, die aber häufig nicht gut vorbereitet sind und dementsprechend selten zu Torgefahr führen. Die von Baumgart – und dem FCN – so vielzitierte Intensität hat sich im Hamburger Spiel nach Walter aber zweifelsfrei verbessert. Im Spiel gegen den Ball agiert man kompakter und lässt dem Gegner weniger Raum um Zeit, das Spiel zwischen den Linien voranzutreiben. Hierfür setzt man in der Regel auf ein 4-1-3-2 gegen den Ball, das Baumgart auch in seinen vorherigen Stationen bereits praktizierte.
Hamburger Umschaltspiel entscheidend
Auch wenn der HSV wieder hinter seinen Erwartungen hinterherblieb und nun ins 7. Zweitligajahr in Folge gehen muss, so zählen sie dennoch wieder einmal zu den besten Mannschaft der 2. Bundesliga. Das beweist auch die Statistik. Nach Expected Points wären die Hamburger sogar Drittplatzierter, hauchdünn hinter Fortuna Düsseldorf und Stadtrivale St. Pauli. Dass es in der Realität anders aussieht, liegt mitunter an der ausbaufähigen Chancenverwertung – rund 8 Tore hätte man laut xG mehr erzielen können. Gleichzeitig beweist dieser Wert auch – obwohl es unter Baumgart etwas schlechter wurde – wie viel Gefahr man über die gesamte Saison vor dem Tor entwickeln konnte. Kein Team kommt auch nur in die Nähe der über 68 xG des HSV. Eine große Stärke der Hamburger Offensive ist hierbei das Konterspiel – auch diesbezüglich kann kaum ein Team den HSV überflügeln. In die andere Richtung sieht es hingegen deutlich schlechter aus. Nur ein Team lässt mehr nach Konterangriffen des Gegners zu. Ohnehin dürfte die fehlende defensive Stabilität ein Hauptgrund dafür sein, warum es der HSV letztendlich nicht unter die Top-3 der Liga schaffte. Denn sowohl was zugelassene xG als auch tatsächliche Gegentore angeht, sind die Rothosen im Ligavergleich nur Fünfter.
Key Player: Robert Glatzel
Nicht erst seit dieser Saison ist Robert Glatzel der wohl gefährlichste Stürmer der 2. Bundesliga: kein Spieler kommt häufiger im gegnerischen Strafraum an den Ball, kein Spieler kommt aus dem Spiel heraus zu besseren Torchancen. Zwar liegt er mit seinen 19 Saisontreffern 3 Tore hinter Toptorjäger Takabovic. Jedoch weiß wohl kein Stürmer dieser Liga, sich besser für die Vorlagen seiner Mitspieler in Position zu bringen. Gleichzeitig integriert sich Glatzel häufig nahtlos in das Kombinationsspiel des HSV, wie seine Passquote beweist. 81% können nur 2 Stürmer in dieser Liga toppen.
Wie holt der Club am Sonntag 3 Punkte?
Für den 1. FC Nürnberg wird es entscheidend sein, die Abstände zwischen den Mannschaftsteilen gering zu halten. Auch wenn der HSV strukturell mitunter Probleme hat, verfügen sie über eine extrem hohe individuelle Qualität. Egal ob Schonlau in der Innenverteidigung, Linksverteidiger Muheim, das Mittelfeldzentrum mit Spielern wie Benes und Reis oder der Angriff mit Dribbler Dompé und Knipser Glatzel – allesamt verfügen über außergewöhnliche Fähigkeiten für für die 2. Bundesliga. Im Spiel mit Ball werden auf den beiden Nürnberger Innenverteidigern viele Hoffnungen ruhen. Schafft man es, mit einem flachen Vertikalpass die erste Hamburger Pressingreihe zu überspielen, findet man viel Freiraum im eigenen Zehnerraum, den beim HSV häufig nur Meffert besetzt. Auch Themen wie eine gute Boxverteidigung gegen die vielen Hamburger Hereingaben, eine gute Struktur und Bereitschaft beim Spiel auf den zweiten Ball sowie Mut werden benötigt, um die Saison mit mehr als 40 Punkten abzuschließen.