Lukas Schleimer – plötzlich Achsenspieler?
Als Sportvorstand Joti Chatzialexiou nach seinem Amtsantritt beim 1. FC Nürnberg eine vielzitierte Achse im Kader ankündigte, war Lukas Schleimer nicht unbedingt als einer der designierten Führungsspieler zu erwarten. Schließlich zählte der 24-Jährige in der enttäuschenden Vorsaison bei 12 Einwechslungen und 12 Auswechslungen in 33 Ligaeinsätzen nicht zum unangefochtenen Stammpersonal. Dies scheint sich in der aktuellen Saison geändert zu haben. Denn in den 6 bisherigen Pflichtspielen war Schleimer in 608 von 628 möglichen Minuten Im Einsatz. Nur Florian Flick und Finn Jeltsch verpassten weniger Spielminuten als Nürnbergs Nummer 36.
Während Schleimer zuvor als Allzweckwaffe sämtliche Positionen in der Offensive bekleidete, ist seine Rolle unter Miroslav Klose nun eindeutig. In jedem Pflichtspiel startete er als alleinige Sturmspitze für den FCN und blieb auf dieser Position in 75% seiner Spielzeit – in der Vorsaison waren es nur 25% in vorderster Front. Die Gründe dafür, dass „Schleimi“ stets beginnt, liegen sicherlich auch in den Verletzungen von seinen Sturmkollegen Janni Serra und Mahir Emreli. Doch auch der fitte und (über-)motivierte Stefanos Tzimas stand noch kein einziges Mal in der Startformation.
Schleimer fast durchgehend Zielspieler
Dass Schleimer als Achsenspieler stets auf dem Platz stehen soll, zeigt sich, wenn Klose einen neuen Stürmer im Laufe einer Partie bringt. Statt den Rechtsfuß dafür auszuwechseln, zog ihn der Trainer fast ausnahmslos auf die rechte Seite. Das zeigt, wie sehr Klose die Wichtigkeit des Offensivmanns schätzt. Insbesondere, weil sowohl auf dem linken als auch rechten Flügel anderes Personal zur Verfügung stünde.
Nun stellt sich die Frage, ob man Lukas Schleimer mit dieser Rolle einen Gefallen tut. In der Vergangenheit war er als umtriebiger, schwerzugreifender Kreativkopf, der sich zwischen den Linien bewegt, bekannt. Nun muss er häufig als Zielspieler agieren, viele Zweikämpfe mit dem Rücken zum Tor führen und bislang die meisten Kopfballduelle aller Nürnberger absolvieren. Ohnehin scheint das Offensivspiel des FCN aktuell sehr abhängig von seiner Person, wie die Statistik in der Liga zeigt.
Schleimer mit zu vielen Aufgaben?
In mehreren Parametern ist er bester Nürnberger. Seien es abgebebene Schüsse, Expected Goals, Pressing-Aktionen oder Ballaktionen im Strafraum. Aber auch über stürmertypische Aktionen hinaus ist Schleimer omnipräsent. Gleichzeitig kreierte er die meisten Großchancen, bereite die meisten Schüsse vor und wurde am häufigsten gefoult. Fast schon logisch, dass dabei die Kernkompetenz eines Neuners verloren gehen kann.
Zusätzlich soll Schleimer immer wieder in den Zehnerraum abkippen und mit seinen unberechenbaren Bewegungen seine Mitspieler um sich herum in Szene setzen. Ein Problem, das nun schon häufiger zu beobachten war: die Nürnberger Boxbesetzung ist daraufhin oft unzureichend, weshalb potenziell gefährliche Angriffe im Sande verlaufen.
Trotz ordentlicher Leistungen: „echter Neuner“ nötig?
Das soll jedoch keine Kritik an Schleimer sein, im Gegenteil: seine Statistiken belegen, dass er im Rahmen seiner Möglichkeiten viel leistet und eine zentrale Rolle im Nürnberger Spiel einnimmt. Dennoch wäre es manchmal von Vorteil, wenn die Last nicht ausschließlich auf ihm ruhen würde. Ein echter Stürmer, der Schleimer entlastet, könnte das Offensivspiel beleben und der Mannschaft mehr Variabilität geben.
Das beweist auch der Impact von Stefanos Tzimas, den er bislang nach seinen Einwechslungen brachte. Obwohl er 335 Zweitligaminuten weniger als Schleimer vorzuweisen hat, verzeichnete er mit 7 Abschlüssen nur einen weniger als der Dauerbrenner. Zudem sind seine 14 Dribblings Bestwert aller Nürnberger. Vor allem sein Kopfballtreffer in Ulm deutete an, welche Qualitäten der junge Grieche dem Club in der Box geben kann. Umso bitterer, dass Tzimas nun zwei Spiele gesperrt fehlt.
Allzweck-Schleimer auch gegen die Hertha in der Start-11?
Dennoch könnte es am nächsten Spieltag gegen Hertha erstmals dazu kommen, dass Schleimer nicht in der Sturmspitze beginnt. Emreli würde nach seiner erstmaligen Kadernominierung für Ulm eine Alternative darstellen. Auch Serra ist nach seinem Einsatz in der U23 wieder dem Spielbetrieb in der 2. Bundesliga näher. Da sich noch keiner der Flügelspieler nachhaltig empfehlen konnte, hätte Miroslav Klose gute Argumente, auch im 7. Pflichtspiel erneut auf Lukas Schleimer in der Startformation zu setzen und seine Variabilität in der Offensive zu nutzen. Jene Variabilität bezieht sich jedoch auch auf seine Art der Rolle. Deshalb könnten ihm und der Mannschaft auch sein Einsatz als Joker von der Bank hin und wieder guttun.