Viele Kopfballgegentore: Ist der FCN zu klein?

Kein Team der 2. Bundesliga kassierte mehr Gegentore per Kopf: fehlt dem 1. FC Nürnberg die Körperlänge? Der CLUBFOKUS analysiert die Kopfballschwäche und kommt zu einem einerseits überraschenden und andererseits zu erwartendem Ergebnis.

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Foto: fcn.de

Viele spielentscheidende Kopfballgegentore für den 1. FC Nürnberg

Bei der 0:2-Heimniederlage gegen den SC Paderborn musste der 1. FC Nürnberg bereits das 15. Kopfballgegentor in dieser Saison hinnehmen. Nicht nur die Tatsache, dass man mit dieser hohen Anzahl an Kopfballgegentoren mit Abstand das Schlusslicht der 2. Bundesliga ist, schmerzt. Vielmehr ist es der Spielverlauf, der sich durch diese Tore immer wieder entscheidend gegen den FCN wendet. Gegen Paderborn war es in einer guten Phase das vorentscheidende 0:2, das dem Club jeglichen Wind aus den Flügel nahm. Gegen Kiel und St. Pauli war es das so wichtige erste Tor für den Gast. Und in Berlin bedeuteten die Kopfbälle der Gegenspieler zweimal jeweils den Anschlusstreffer in einer Partie, in der der FCN das Spiel vermeintlich im Griff hatte. Demzufolge waren die Kopfballgegentore mitentscheidend dafür, dass der 1. FC Nürnberg aus den vergangen 5 Spielen nur einen Punkt sammelte.

Nürnberger Körperlänge als Hauptgrund?

Beim Thema Kopfball kommt schnell die Frage auf, ob denn die Mannschaft, insbesondere der defensive Part, zu klein sei. Dieser Frage musste sich Trainer Cristian Fiél schon bereits vor der Partie gegen Paderborn stellen:


„Es gibt sicherlich größere Innenverteidiger.“

Cristian Fiél
angesprochen auf die Frage, ob die Kopfballschwäche an der Körperlänge der Innenverteidiger festzumachen ist


Tatsächlich zählt das aktuelle Innenverteidiger-Pärchen mit Jannes Horn und Finn Jeltsch mit 1.86-m bzw. 1.88-m Körperlänge nicht zu den größten der Liga. Enorm erhärtet wird der Verdacht der fehlenden Größe mit der Erfolgsquote bei Luftduellen der beiden Abwehrspieler. Unter den 72 Innenverteidigern der 2. Bundesliga, die in dieser Saison mindestens 820 Einsatzminuten vorweisen können, gehören Jeltsch und Horn zu den 6 kopfballschwächsten der Liga. Während Jeltsch auf Rang 71 nur 32% seiner Luftduelle gewinnt, kann Horn diese Quote auf Rang 67 mit 44% gewonnenen Luftduelle kaum überbieten. Zum Vergleich: die durchschnittliche Erfolgsquote bei Innenverteidigern der 2. Bundesliga liegt bei 56%. Der Rest der Nürnberger Mannschaft ist diesbezüglich übrigens nicht freizusprechen. Denn die 43% Erfolgsquote bei Luftduellen kann nur die SpVgg Greuther Fürth (39%) unterbieten. Folglich lässt nur der Tabellenletzte VfL Osnabrück mehr gegnerische Abschlüsse nach Kopfbällen zu.

Analyse der Kopfballgegentore: FCN meist sogar größer

Diese Zahlen belegen offensichtlich: die vielen Kopfballgegentore sind kein Zufall. Nichtsdestotrotz bleibt offen, ob es wirklich an der Körperlänge liegt. Hierzu hat sich der CLUBFOKUS nochmals alle 15 Kopfballgegentore genauer angeschaut. Während bei einem dieser Gegentore kein Verteidiger den Torschützen am Kopfball hinderte (in Hannover), war bei den restlichen Kopfballgegentoren jeweils ein Nürnberger zumindest in unmittelbarer Nähe. Dementsprechend ließ sich ein Vergleich der Körperlängen zwischen Torschützen und Verteidigenden aufstellen. Überaschenderweise war bei 9 der 14 Luftduelle vor Gegentoren der Nürnberger der größere. Dabei machte es übrigens kaum einen Unterschied, wer auf dem Platz stand. Denn zum Beispiel war der als kopfballstärkere bekannte Marquez schon 3-mal Gegenspieler des Torschützen. Demzufolge zählt das Argument, der FCN sei womöglich aufgrund fehlender Körperlänge so anfällig in der Luft, nur bedingt.

Alle Kopfballgegentore auf einen Blick. Bei 4 der letzten 5 Kopfballgegentore war Finn Jeltsch in unmittelbarer Nähe des Torschützen. Auffällig: egal ob Jeltsch, Horn oder Marquez, egal ob 1. Pfosten, Mitte oder 2. Pfosten: der 1. FC Nürnberg ist auf sämtliche Arten und Weisen anfällig.

Schwächen im direkten Duell als Hauptgrund

Viel entscheidender ist wohl der Zusatz, den Cristian Fiél an die Antwort auf die Körperlängen-Frage noch hinzufügte:


Und trotzdem sind wir oft nicht gut genug im direkten Duell. Deshalb kassieren wir das ein oder andere Gegentor zu viel.“

Cristian Fiél
angesprochen auf die Frage, ob die Kopfballschwäche an der Körperlänge der Innenverteidiger festzumachen ist


Denn der wohl viel größere Faktor für die vielen Gegentore ist das Verhalten im direkten Duell – sofern es als solches bezeichnet werden darf. Denn bei den 9 Kopfballgegentore nach Flanke stand der Torschütze häufig mit viel Platz im Nürnberger Strafraum einköpfbereit. Ein reibungsloses Übergeben bei der Raumverteidigung der Box funktionierte selten. Was ebenfalls zum Thema der direkten Duelle gehört – und womöglich der größere Faktor ist – ist das Verteidigen der gegnerischen Flanken. Nicht ohne Grund kassierte der FCN bisher die meisten Gegentore aller Teams der 2. Bundesliga nach Flanken. Zu häufig hat der Vorlagengeber zu viel Zeit, den Ball in den Strafraum zu schlagen. Dass es für die Club-Verteidiger in der Folge nicht leicht ist, gegen Tabakovic, Ache und Co. zu verteidigen, darf auch nicht unerwähnt bleiben. Bei 6 Kopfballgegentoren nach Standardsituationen (5 davon Ecke) steht allerdings auch das Verhalten im Luftduell zur Diskussion – zumal bei ruhendem Ball klare Zuordnungen möglich sind.

Ob Kopf oder Fuß: FCN mit bekannten Problemen

Schlussendlich dürfte die Körperlänge der FCN-Verteidiger wohl der „kleinste“ Grund für die „große“ Schwäche beim Verteidigen von Kopfbällen sein. Vielmehr ist es auf Themen zurückzuführen, die Cristian Fiél und seine Mannschaft nun schon seit vielen Wochen begleiten. Oftmals fehlen die Intensität und das Verantwortungsbewusstsein gegen den Ball. Stattdessen wird sich auf den Mitspieler verlassen. Ob die Gegentore daraufhin per Kopf wie durch Tabakovic oder per Fuß wie durch Grimaldi erzielt werden, ist dabei unerheblich. Entscheidend bleibt, wie man als Mannschaft in und um den eignen Strafraum verteidigt. Und dies ist aktuell beim 1. FC Nürnberg in ungenügender Art und Weise der Fall.


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