Nürnberger Rekordhalbzeit
Beim 1. FC Nürnberg muss man bekanntermaßen immer mit allem rechnen. Doch dass der Club nach den enttäuschenden letzten Wochen am letzten Spieltag in Braunschweig einen vereinsinternen Rekord aufstellen würde, war nicht zu erwarten. Denn erstmals in seiner Zweitliga-Historie führte eine Nürnberger Mannschaft zur Pause mit 4:0 – und spielte damit eine nahezu perfekte erste Halbzeit.
Schon mit der ersten Aktion wurde deutlich, wie der FCN gegen die um den Klassenverbleib kämpfenden Braunschweiger zum Erfolg kommen möchte: mit den bekannten Mechanismen im tiefen Spielaufbau, um den Gegner zu locken und anschließend mit schnellen Steil-Klatsch-Kombinationen das entblößte Löwen-Mittelfeld zu überspielen. Dem bereits nach zehn Minuten verdienten Führungstreffer ging allerdings eine Justvan-Ecke voraus, die Mahir Emreli nach Verlängerung von Sturmpartner Janis Antiste einköpfte.
Variabel wie in besten Zeiten
In dieser Anfangsphase zeigte der FCN eine Vielzahl von Elementen, die die Braunschweiger kaum in die Zweikämpfe kommen ließen: Im Spielaufbau agierte man sehr variabel, sowohl auf dem Flügel als auch im Zentrum gab es immer wieder Gegenbewegungen und Positionsrochaden, auf die die Eintracht keinen Zugriff bekam. Hinzu kam eine enorme Fehleranfälligkeit der überfordert wirkenden Gastgeber – wie etwa vor dem 0:2 in der 20. Minute, als der Club einen Fehlpass von Robin Krauße über Antiste, Justvan und letztlich Torschütze Emreli perfekt ausnutzte.
Einem in dieser Phase angeknockten Gegner, der durch sein Auftreten für viel Unruhe im eigenen Stadion sorgte, nahm man nach einer halben Stunde dann endgültig die Hoffnung auf den direkten Klassenerhalt. Aus spitzem Winkel verwandelte Julian Justvan von der rechten Seite einen Freistoß per Flatterball, bei dem Heimtorhüter Marko Johansson nicht völlig schuldfrei blieb.
Einen bis hierhin in allen Spielphasen fast perfekten Auftritt machte Emreli quasi mit dem Pausenpfiff komplett: Nach tiefer Balleroberung bediente Caspar Jander per Tiefenpass den durchstartenden Aserbaidschaner, der seinen Dreierpack und eine historische 4:0-Pausenführung perfekt machte. Schon zuvor hätte der umtriebige Antiste mit zwei guten Chancen das Spiel endgültig entscheiden können. Dass BTSV-Trainer Daniel Scherning bereits nach 37 Minuten einen Dreifachwechsel vornahm und vereinzelt Heimfans das Stadion vor der Pause verließen, sprach Bände.
Souveräner zweiter Durchgang
In der zweiten Halbzeit ließ es die Klose-Elf erwartungsgemäß etwas gemächlicher angehen und suchte den Weg nicht mehr so konsequent in die Spitze. Da sich die Braunschweiger Torgefahr fast ausschließlich aus gegnerischen Ballverlusten speiste, war es keine schlechte Idee der Nürnberger, das Risiko im eigenen Ballbesitz zu reduzieren. Auch der zweite Ansatz der Scherning-Elf, über lange Bälle auf den eingewechselten Zielspieler Sebastian Polter zu Chancen zu kommen, wurde von der fränkischen Dreierkette um Kapitän Robin Knoche, Ondrej Karafiat und den spielstarken Fabio Gruber, der mit seinen verschiedenen Positionierungen viel Einfluss auf den Spielaufbau nahm, souverän verteidigt.
Zu keiner Zeit hatte man das Gefühl, dass Braunschweig diese Partie noch einmal wirklich unangenehm machen könnte. Potenzielle Nürnberger Angriffsflächen in den defensiven Halbräumen wusste man nicht zu bespielen. Stattdessen hätte ein im zweiten Durchgang etwas uneigennützigerer Emreli das Ergebnis sogar noch höher schrauben können, wenn er in zwei Situationen den besser postierten Mitspieler bedient hätte – was ihm an diesem Tag jedoch verziehen sei.
Debüt, Abschied & wichtige Erinnerung
Ebenfalls positiv zu erwähnen: Berkay Yilmaz agierte erstmals für den gelbgesperrten Rafael Lubach auf der Achterposition und füllte diese Rolle beeindruckend souverän aus. Ähnlich solide machte es auch Profi-Debütant Winners Osawe, der nach 73 Minuten in die Partie kam und einige positive Akzente setzte. Auch Enrico Valentini, bei dem nach dem Schlusspfiff Tränen flossen, durfte noch ein letztes Mal in seiner aktiven Karriere die Fußballschuhe schnüren – und damit gemeinsam mit Hanno Behrens zum Zweitliga-Rekordspieler des Clubs aufsteigen. Der späte Braunschweiger Anschlusstreffer durch Sebastian Polter – begünstigt durch ein Missverständnis zwischen Justvan und Mathenia – wurde auf dem Platz eher mit einem Schmunzeln quittiert.
Auch wenn der 1. FC Nürnberg tabellarisch gesehen an diesem letzten Spieltag nichts mehr zu gewinnen hatte, war es doch wichtig, noch einmal daran zu erinnern, was in dieser Mannschaft steckt – und was sie in ihren besten Phasen ausgemacht hat. Zwar war der Gegner, der nun in die Relegation muss, an diesem Tag schwach. Dennoch war es beeindruckend, mit welcher Konsequenz und Effizienz der FCN dessen Fehler ausnutzte. Ein wichtiger Auftritt, um mit einem positiven Gefühl in die Sommerpause zu gehen – zumal Stand heute bis auf das Sturmduo Antiste und Emreli wohl alle übrigen Startspieler auch in der kommenden Saison das Clubtrikot tragen werden.