1. FC Nürnberg vor St. Pauli ohne Sorgen
Nach den zwei Siegen gegen Braunschweig und Magdeburg gehören sämtliche Abstiegssorgen der Vergangenheit an. Stattdessen steht der 1. FC Nürnberg mit 36 Punkten nach 25 Spielen im oberen Tabellenmittelfeld. Mit 5 Punkten Rückstand auf Rang 3 darf man den Blick sogar eher nach oben anstatt nach unten richten. Dennoch wäre die aktuelle Tabellenplatzierung am Saisonende bei allem Optimismus nicht nur realistisch, sondern auch ein Erfolg. Nichtsdestotrotz würde der Club mit einem Heimsieg gegen den FC St. Pauli eine kleine Euphorie vor der Länderspielpause entfachen. Dessen Schwere ist sich FCN-Trainer Cristian Fiél bewusst.
„St. Pauli ist für mich die mit Abstand beste Mannschaft in dieser Liga.„
Cristian Fiél
Nicht zur Verfügung stehen werden Hayashi, Lohkemper, Schindler, Lawrence, Hübner, Hofmann sowie der gelb-gesperrte Gyamerah.
Heile Welt auf dem Kiez
Die Laune beim Tabellenführer aus St. Pauli könnte wohl kaum besser sein. Mit 51 Punkten steht man relativ souverän auf Platz 1 in der Tabelle. Satte 10 Punkte beträgt der Vorsprung auf den Relegationsplatz, den ausgerechnet der Stadtrivale innehat. Zudem verlängerte Erfolgstrainer Fabian Hürzeler (Punkteschnitt: 2,20 pro Spiel) erst vor kurzem seinen Vertrag. Nach einem punktetchnisch holprigen Start kamen die Kiezkicker spätestens im Frühherbst 2023 in Fahrt. Bis zum 21. Spieltag in Magdeburg waren die Kiezkicker in der Liga sogar ungeschlagen. Personell gab es zuletzt das ein oder andere Fragezeichen. Der rechte Schienenspieler Saliakas fehlt gesperrt, zudem waren die beiden Innenverteidiger Mets und Smith sowie der linke Schienenspieler Treu angeschlagen. Für das Spiel in Nürnberg könnte es allerdings für die 3 Defensivspieler reichen. Anderenfalls wäre wohl auch eine Systemumstellung auf eine Viererkette denkbar.
Abläufe (nahezu) in Perfektion
Der FC St. Pauli steht zu Recht auf dem Platz an der Sonne. Man gibt die meisten Schüsse ab, lässt gleichzeitig die mit Abstand wenigsten zu und verzeichnet zudem die meisten gelaufenen Kilometer sowie Intensive Läufe. Die Grundformation ist in der Regel ein 5-2-3, das mit Ball aber deutlich anders aussieht. Der zentrale Innenverteidiger (wenn fit: Smith) schiebt nach vorne in das defensive Mittelfeld. Die beiden Außenverteidiger schieben nach innen, sodass mindestens einer der beiden nominellen Achter (Hartel) mit in die letzte Reihe neben Stürmer Eggestein schieben kann. Die Breite wird von den beiden Offensiven Flügelspielern besetzt, die häufig 1-gegen-1-Duelle suchen. Der Spielaufbau erfolgt sehr geduldig. Im Idealfall möchte man den Gegner aus dessen Positionierungen ziehen, um danach die eigenen Automatismen ins Rollen zu bringen. Häufig versucht man, wenn der Gegner anläuft, mit flachen Vertikalpässen in Richtung Angriff zu spielen, um von dort aus in das heutzutage vielzitierte „Spielen und Gehen“ zu kommen. All diese Abläufe sind nahezu in Perfektion einstudiert. Betrachtet man Spiele der Hürzeler-Elf, erkennt man, wie ein Rädchen in das andere greift.
St. Pauli: stark in jeder Spielphase
Der Tabellenführer wird häufig für sein Spiel mit Ball gelobt – zu Recht. Und dennoch zeigen die 25 Gegentore und damit die mit Abstand beste Defensive der Liga, dass vor allem auch nach Ballverlust vieles funktioniert. Schon im Ballbesitz legt man hierfür den Grundstein. Trotz der vielen Positionsrochaden positioniert sich der FC St. Pauli sehr eng beieinander, um kurze Passwege zu ermöglichen. Zum anderen, um eben nach Ballverlust gleich mit viel Personal in Ballnähe ins Gegenpressing zu gehen. Dadurch gesteht man dem Gegner nur selten Umschaltaktionen zu. Baut der Gegner das Spiel auf, ist man in der Lage im 3-4-3 den Gegner hoch anzulaufen. Je nach Situation kann man aber auch im 5-4-1 tiefer verteidigen. Mit 123 gelaufenen Kilometern pro Spiel ist man zudem das laufstärkste Team der Liga, was das Gesamtpaket nochmals abrundet.
Schwächen gegen Mannorientierungen?
Blickt man auf die 3 Niederlagen in der St. Paulianer Saison, dann eint diese eins: sowohl Düsseldorf im Pokal als auch Magdeburg und Schalke in der Liga empfingen die Kiezkicker mit einer sehr mannorientierten Spielweise. Den Torhüter ließ man frei, die 10 Feldspieler verfolgte man quasi Mann-gegen-Mann über das ganze Feld. Dadurch kam die Hürzeler-Elf im Spielaufbau nicht wie sonst in ihre Abläufe, da der erste Pass vom Torwart auf die Innenverteidiger deutlich erschwert wurde. Ansonsten ist die Suche nach Schwächen der Kiezkicker schwierig. Im offensiven Umschaltspiel nach Balleroberung könnte man sich vermutlich noch steigern.
Torjäger, Kilometerfresser und mehr: Marcel Hartel
Als Schlüsselspieler könnte man auch Eric Smith nennen. Der „Libero“ pendelt immer wieder zwischen Innenverteidigung und Mittelfeld und gilt als Rhythmus- und Taktgeber der Kiezkicker. Da sein Einsatz noch nicht sicher ist, fällt die Wahl auf Marcel Hartel. Hartel läuft nicht nur die meisten Kilometer der Liga, sondern hat in dieser Spielzeit auch das Toreschießen für sich entdeckt. Bereits 13 Treffer erzielte der halblinke Achter der Hürzeler-Elf. 9 weitere konnte er vorbereiten und ist damit gemeinsam mit Robert Glatzel der Top-Scorer der Liga. Hartel verfügt über einen guten Mix aus Ausweichen in die Halbräume und Vorstöße in die gegnerische Box. Mit seinen vielen Läufen in der Offensive ist er für die gegnerische Abwehr nur schwer zu kontrollieren und greifen.
Aktiv bleiben & Tiefe attackieren
Gerade gegen den FC St. Pauli ist es von großer Bedeutung, aktiv im Spiel gegen den Ball zu bleiben. In den letzten Wochen gab es immer wieder Phasen, in denen man zu passiv verteidigte. Als prominentestes Beispiel hierfür dient die zweite Halbzeit gegen den VfL Osnabrück. Wenn selbst der Tabellenletzte die Nürnberger Lethargie für sich nutzen konnte, darf man sich vorstellen, wie das wohl der souveräne Tabellenführer ausspielen könnte. Zumal die Kiezkicker tiefstehende Abwehrreihen bereits mit 10 Treffen aus der Distanz bestraften. Aus diesem Grund ist es wichtig, über 90 Minuten aggressiv zu verteidigen. Ob es die zuletzt erfolgreiche Schalker Manndeckung (3:1 Sieg) über das gesamte Feld sein muss, sei dahingestellt.
„Fragst du mich gerade, ob ich Mann gegen Mann gegen St. Pauli spiele? [..] Das ist nicht unser Gedanke, die Gegner über den ganzen Platz zu verfolgen.“
Cristian Fiél
angesprochen auf die erfolgreiche Schalker Manndeckung
Bei der Frage, wie man sich aus dem „besten Gegenpressing“ der Liga lösen könnte, bestätigte Fiél, dass ähnlich wie im Derby Spielverlagerungen und Tiefenläufe ein Mittel sein könnten. Im Anschluss gilt es die direkten Duelle in der Offensive für sich zu entscheiden.
Komplette Leistung vor vollem Haus
Mit der schwerstmöglichen Aufgabe startet das ohnehin komplizierte Restprogramm für den 1. FC Nürnberg. Die Hürzeler-Elf versteht es über alle vier Spielphasen den Gegner zu kontrollieren und Lösungen parat zu haben. Dass St. Pauli 2 der 4 Auswärtsspiele in der Rückrunde verlor, dürfte dem Club hingegen Mut machen. Um diesen Mut in Punkte umzuwandeln, braucht es allerdings eine komplette Leistung. Die Fans trauen dies der Mannschaft offensichtlich zu. Denn für das Heimspiel des 1. FC Nürnbergs gegen den FC St. Pauli am 26. Spieltag der 2. Bundesliga werden mindestens 40.000 Zuschauer erwartet.