Ungewohnter neuer Modus
Seit dieser Saison werden die U17- und U19-Bundesligen in einem neuen Modus gespielt. Die Gruppenphase besteht aus acht Gruppen mit jeweils acht Teams. Jeweils die ersten 3 qualifizieren sich für die A-Liga, in welcher der Titel um die Deutsche Meisterschaft ausgespielt wird. Für die restlichen Teams geht es in die B-Liga, deren größter Anreiz ein Ticket für den DFB-Pokal darstellt. Nürnbergs U19-Trainer Michael These möchte die Reform noch nicht endgültig bewerten: „Ein Fazit würde ich gerne am Ende der Saison treffen. Man hat gefühlt weniger Zeit, weil sich vieles bereits früh in der Vorrunde entscheidet. Es ist schwierig für Spieler, die aus einer Verletzung kommen, da diese noch nicht eingreifen konnten. Und sobald sie zurückkehren, steht gefühlt schon fest, ob wir in der A- oder B-Liga spielen.“
Zu wenig Punkte für gute Leistungen
Mit 5 Zählern nach 5 Partien besteht punktetechnisch noch Luft nach oben für den FCN-Nachwuchs. Da These in der Bewertung aber richtigerweise zwischen Ergebnis und Leistung unterscheidet, ist er dennoch zufrieden und blickt auf bittere Punktverluste zurück: „Wir haben noch nicht das Matchglück auf unserer Seite. Gegen den KSC kassieren wir in der 94. Minute das 2:3. Zuletzt gegen Frankfurt bekommen wir nach 60 Minuten eine Gelb-Rote Karte, die man nicht geben muss und in der Nachspielzeit einen sehr umstrittenen Elfmeter gegen uns.“ Tatsächlich wäre für den FCN bis dato mehr möglich gewesen. Laut den Expected Points, die sich nach Qualität und Quantität der eigenen und gegnerischen Abschlüsse errechnen, stehen über 3 Punkte mehr auf dem Konto der These-Elf. Der Trainer bleibt dennoch optimistisch, die Ziele zu erreichen: „Wir wollen in die Liga A, dafür müssen wir ins Punkten kommen. Aber ich bin überzeugt, dass wir es schaffen.“
Viele 2007er-Jahrgänge und Verletzungsprobleme
Der 1. FC Nürnberg hat sich bewusst dazu entschieden, mit vielen jüngeren Jahrgängen die U19-Saison anzugehen. These selbst kennt jedoch beide Jahrgänge. Vor allem die 2007 geborenen Spieler, mit denen er gemeinsam in den letzten Saisons Jugendmannschaft für Jugendmannschaft nach oben kletterte. Verzichten muss der FCN aktuell noch auf einige Leistungsträger. Lion Haxhiu, der bereits in der Schlussphase der Vorsaison in der U19 aushalf, fehlt mit einem Kreuzbandriss ebenso wie Joel Skowronek bis etwa März. Während Sechser Haxhiu sowohl mit und gegen den Ball zu den stärksten Spielern seines Jahrgangs gehört, fehlt mit Skowronek der etatmäßige Neuner. Hinzu kommt unter anderem der Ausfall des physisch sehr starken Innenverteidigers Uche Textor, der nach seiner Schambeinentzündung nun langsam zurückkehrt.
Attacke: erfrischend mutige Spielweise der U-19
Die These-Elf steht für ein sehr intensives und hohes Pressing. „Ein Prinzip ist, dass wir den Gegner in der ersten Linie in Gleichzahl pressen. Durch den hohen Balldruck können die Innenverteidiger weniger andribbeln und dementsprechend weniger Pässe in die Zwischenräume spielen. Wir leben schon von unserem Pressing, vorne drauf und Attacke. Wir wollen den Gegner in Räume lenken, in denen wir Überzahl- oder Gleichzahlsituationen herstellen können.“ Hierfür setzt man häufig auf ein 4-1-3-2 gegen den Ball und präferiert in diesem ein eher raumorientiertes Verteidigen. Die Zahlen zeigen, dass das Nürnberger Angriffspressing seine Früchte trägt. Die Mannschaft gehört zu den stärksten der 64 Teams, was hohe Balleroberungen betrifft.
Fußballerische Lösungen mit Freiheiten
Für Michael These ist es aber auch entscheidend, dass man sich nicht nur über Gegenpressing und zweite Bälle definiert. „Wir sind keine Mannschaft, die die Bälle nach vorne schlägt“, erklärt der 29-jährige Coach, der zwar Leitlinien im Spiel definiert, aber den Spielern dennoch ihre Freiheiten im Spiel gewährt: „Ich könnte von einem Achter fordern, dass er immer in seinem Raum bleibt und die rote Zone zwischen den Ketten besetzt. Aber wenn der Spieler sich auch mal tiefer fallen lassen möchte, um den Ball in den Fuß zu bekommen, dann soll er das machen und sich dementsprechend das Vertrauen holen.“ Dafür wird der Raum dann situativ durch einen einrückenden Flügelspieler nachbesetzt. Seine Mannschaft spielt mit 14 Pässen pro Minute im eigenen Ballbesitz die viermeisten Pässe aller U19-Bundesligisten. Ziel ist es somit, flache, aber zugleich vertikale Lösungen im Spiel zu finden und das Tempo möglichst hochzuhalten. Während man aus einer rautenähnlichen Struktur verteidigt, setzt man im Spiel mit Ball auf ein 4-3-3, das sehr variabel interpretiert und immer wieder anders besetzt wird.
Profis von morgen?
These betont vor allem die mannschaftliche Geschlossenheit, hebt demzufolge keine einzelnen Spieler heraus und sieht bei etlichen seiner Jungs das Potenzial, um den Sprung in den Profibereich zu packen: „Es sind zwei sehr spannende Jahrgänge. Wirklich viele haben die Anlagen dafür, ganz oben anzuklopfen. Die Jungs müssen jetzt im letzten Schritt die nötige Professionalität an den Tag legen. Dafür müssen sie auf ihren Körper achten, in Details besser werden, die Grundtechniken optimieren und einfach Leistung bringen.“
Vom Feldspieler zum Torwart
Im modernen Fußball sind Torhüter nicht nur zum Bälle halten da, sondern haben häufig auch eine nicht zu vernachlässigende Funktion im eigenen Ballbesitz. Paradebeispiel hierfür ist Nürnbergs Lennart Pohlmann, der die zweitmeisten Pässe aller U19-Torhüter spielt und demzufolge eine wichtige Rolle im Nürnberger Spielaufbau einnimmt. „Er war früher Feldspieler, wir haben ihn in der U13 ins Tor gestellt. Dadurch ist er natürlich sehr stark am Fuß, was wir uns zu Nutze machen“, beschreibt sein Trainer und fügt weiter an: „Das Talent muss irgendwie in den Genen liegen.“ Denn tatsächlich ist Pohlmann der Cousin von Herthas Stammtorhüter Tjark Ernst.
Warten auf Rückkehrer in der Defensive
Die meisten Pässe der Mannschaft spielen die Innenverteidiger Noel Kaiser (Kapitän) und Eric Porstner, der nur aushilfsweise im Defensivzentrum agiert und stattdessen auch im Mittelfeld oder als Linksverteidiger auflaufen kann. Dennoch bringt der Allrounder sehr starke 87% seiner raumgewinnenden Pässe an den Mitspieler. Ein Wert, der lediglich von zwei Innenverteidigern aller U19-Bundesligisten getoppt werden kann. Die beiden Außenverteidiger Tobias Heß und Kirubel Taye nehmen obendrein eine wichtige Rolle im Spiel nach vorne ein: „Vor allem, wenn wir das Spiel verlagern, sollen sie mit. Im letzten Drittel sind auch Flanken ein wichtiges Stilmittel“, erklärt These deren Rolle. Tatsächlich schlagen sie die mit Abstand meisten Flanken der U19. Da beide Rechtsfüßler sind, freut sich der Trainer auch schon über die Rückkehr von Linksverteidiger Benjamin Eichner, der auch bereits für den DFB-Nachwuchs aktiv war.
Spielstarkes Mittelfeld
Erste Anspielstation im Mittelfeld ist Gil Ebner, der sich situativ auch in den Dreieraufbau fallen lässt: „Die Sechs ist eine wichtige Position bei uns, darüber können wir auch Situationen über das Dreieck auflösen, wenn unser Torwart angelaufen wird“, erklärt der Trainer. Auch statistisch sticht Ebners Ballsicherheit aufgrund seiner sehr starken Passquote von 92% heraus. Komplettiert wird das Mittelfeld unter anderem von David Klos, den sein Coach als sehr fleißig und mit einem guten Timing im Spiel gegen den Ball beschreibt. Auch hier belegen die Daten dies. Klos führt nicht nur die meisten Zweikämpfe im Spiel gegen den Ball, sondern verzeichnet mit über 11 erfolgreichen Defensivaktionen auch die meisten seiner Mannschaft. Die Rolle des Box-to-Box-Spielers im Mittelfeld nimmt häufig Ben Hagmeyer ein: „Die Freiheiten geben wir ihm auch“, beschreibt These dessen Rolle. Hagmeyer spielt demzufolge viele Pässe in das gegnerische Angriffsdrittel und taucht in diesem aber auch selbst immer wieder auf, um kreativ zu werden und Bälle hinter die gegnerische Abwehr durchzustecken.
Qual der Wahl im Angriff
In der vorderen Dreierreihe hat Michael These die Qual der Wahl: „Wir haben offensiv sechs gute Spieler für drei Positionen im 4-3-3. Das ist zwar Glück für das Trainerteam, aber für die Jungs nicht immer leicht, wenn rotiert wird.“ Neuzugang Eliyah Rau vom VfB Stuttgart fungiert als Wandspieler für Chipbälle in Richtung Angriff. „Er ist wichtig für das Ganze, auch als älterer Jahrgang, ist flexibel und geht zudem gerne in die Tiefe“, lobt ihn sein Trainer. Rau und auch Levin Chiumento, den These als „Powertyp, der sich gerne aufreibt“ beschreibt, konnten in dieser Spielzeit genau wie Nizar Üstel und Nicolas Rutkowski bereits ein Tor erzielen. Zwei Treffer erzielte bislang Paul Kraußold. „Er kommt gut und gerne über die Außenbahn und ist sehr mannschaftsdienlich“, beschreibt ihn These. Ähnliche Worte findet er für Vincent Straßer, der obendrein „extrem wichtig für das Pressing“ ist. Erfolgreichster Torschütze ist mit drei Einschüssen David Okpodu. Ein Spieler, der das 1-gegen-1 sucht, viel Tempo mitbringt und seine Entscheidungsfindung deutlich verbessern konnte. „Er hat super Anlagen. Ich freue mich, dass er sich jetzt belohnt, nachdem er letztes Jahr nicht immer gespielt hat“, findet These auch hier positive Worte.
Verbesserungspotenzial bei Defensivstandards
Auch wenn Michael These bislang zufrieden ist, sieht auch er logischerweise an einigen Stellen noch Verbesserungspotenzial: „Wir müssen uns noch mehr an den Herrenfußball gewöhnen. Zwei gute vertikale Bälle verzeihen auf dem Niveau nicht mehr das verlorene Duell vor dem Gegentor. Wir haben auch immer wieder instabile Phasen, in denen wir den Gegner zu leicht zu Torchancen kommen lassen.“ Luft nach oben besteht zudem beim Verteidigen von Standardsituationen, was aufgrund von fehlender Körpergröße und Physis nicht immer einfach ist, weshalb man auch darauf bedacht ist, gegnerische Standards und Flanken zu minimieren. Hier verspricht man sich auch Besserung, sobald einige der aktuell Verletzten zurückkehren. „Trotzdem müssen wir in den Duellen besser werden, das darf keine Ausrede sein“, lässt der 29-Jährige dies aber nicht als Argument durchgehen.
Gute Mannschaft, gutes Team
Die junge Nürnberger U19 verfügt über eine attraktive interessante Spielweise und vielen talentierten Nachwuchsspielern. Da viele dem jüngeren Jahrgang entsprechen, ist eine Entwicklung auch im Laufe der Saison noch zu erwarten. Cheftrainer Michael These betont ansonsten stets das starke Kollektiv, das er aber nicht nur bei den Spielern vorfindet: „Ich habe einen tollen Staff, wir haben eine sehr gute Zusammenarbeit. Wir sind insgesamt zu sechst – ich nenne es klein, aber fein.“ Arbeitet man weiterhin so eng und gut miteinander, wird mit der U19 des 1. FC Nürnbergs in dieser Spielzeit zu rechnen sein.