Nürnberger Trainersuche: wer wird Fiél-Nachfolger?

Der 1. FC Nürnberg und sein Sportvorstand Joti Chatzialexiou gehen mit einem klaren Anforderungsprofil auf Trainersuche. Der CLUBFOKUS nennt vier realistische und geeignete Kandidaten, die Fiéls Spielidee weiterführen und -entwickeln könnten.

1. FC Nürnberg neuer Trainer Fiél Nachfolger transfermarkt
Foto: fcn.de

Neuer Trainer gesucht

Joti Chatzialexiou hat ein klares Trainerprofil im Kopf, das ihm als Fiél-Nachfolger beim 1. FC Nürnberg vorschwebt. Der neue Coach müsse zumindest eine in Grundzügen ähnliche Spielidee wie die von Chatzialexiou als Vorbilder deklarierten St. Pauli, Leverkusen und Stuttgart mitbringen. Kontrollierter Ballbesitz mit fußballerischen Lösungen gepaart mit einer hohen Aktivität und Intensität auch im Spiel gegen den Ball. Zwischen den Zeilen ließ er zudem heraushören, dass er auch eine Vorliebe für das Überladen der Räume im Zentrum mitbringen darf. Obendrein ist nicht zuletzt auch die menschliche Komponente ein Auswahlkriterium. Klare Vorgaben, die die potenziellen Trainerkandidaten stark einschränken. Mit anderen Worten gesagt sucht man wohl einen eher jungen und modernen Trainer, der – ähnlich wie Hürzeler, Alonso und Hoeneß – zuvor nicht zwingend bereits auf der großen Bühne gecoacht haben muss und nicht sonderlich weit von Fiéls Spielidee entfernt ist.

Markus Fiedler: Junger Aufstiegstrainer

Markus Fiedler vom VfB Stuttgart passt sehr gut in das oben skizzierte Profil. Seit 2015 ist der 38-Jährige beim VfB tätig. Nach 2 erfolgreichen Saisons in der U-17 (2,55 Punkteschnitt) rückte er vor der abgelaufenen Saison in die U-23 auf. Nachdem die Reserve der Schwaben in den Jahren zuvor lediglich im Mittelfeld rangierte, gelang unter Fiedler die Meisterschaft und der damit verbundene Aufstieg in die 3. Liga. Fiedler verspräche zweifelsfrei einen extrem guten Draht zur Jugend, was für den 1. FC Nürnberg bekanntermaßen ein wichtiger Baustein ist.

Obendrein waren seine Mannschaften in den letzten Saisons stets die – teilweise mit großem Abstand – Teams mit den wenigsten gespielten langen Bällen der Liga. Fiedler legt viel Wert auf ein kontrolliertes Ballbesitzspiel, das sehr variabel häufig durch das Zentrum erfolgt. Auch im letzten Drittel sucht man die Lösung mit Läufen und Pässen hinter die gegnerische Abwehr, anstatt mit Flanken über den Flügel zu arbeiten. Obendrein gilt Fiedler auch als taktisch flexibel und setzte sowohl mit als auch gegen den Ball auf verschiedene Raumbesetzungen, Grundordnungen und Pressinghöhen. In der abgelaufenen Saison hatte seine Stuttgarter U-23 mit 85% Passpräzision die beste aller Regionalligen und spielte zeitgleich die meisten Bälle der Regionalliga Südwest hinter die gegnerische Abwehrkette.

Zudem besitzt Fiedler mittlerweile auch die für die 2. Liga nötige Pro-Lizenz. Sucht man nach Negativpunkten, so kann man anführen, dass der VfB laut Expected Points (Chancenqualität) „nur“ 55 Punkte hätte holen sollen, was aber dennoch eine sehr starke Saison bedeutet hätte. Die 78 erzielten Tore sind eindeutig die Benchmark der Liga, 50 kassierte Gegentreffer vielleicht der ein oder andere zu viel.

Michél Kniat: Kritik vorprogrammiert?

Michél Kniat von Arminia Bielefeld erfüllt ebenfalls einige der von Chatzialexiou vorgegebenen Anforderungen – auch wenn der 38-Jährige keine einfache Saison hinter sich hat. Lediglich auf Platz 14 beendete die Arminia die Saison, in der auch Kniat selbst phasenweise heftigst in der Kritik stand. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Bielefeld nach 2 Abstiegen in Folge einen kaum vergleichbaren und kompletten Umbruch hinter sich hatte. Dass trotz eines nicht ideal zusammengestellten Kaders nicht alles schlecht war, zeigt der Blick auf die Statistik.

Laut den Expected Points wäre für die Kniat-Elf Platz 3 möglich gewesen. Statt 65 Punkten holte man aber lediglich 46 – vor allem, da man im gegnerischen Strafraum zu viel liegen ließ und aus 70 Expected Goals lediglich 48 Treffer erzielte. Inhaltlich beschreibt „Mitch“ Kniats Spielphilosophie folgendes Zitat von ihm selbst sehr treffend: „Wir wollen viel den Ball haben, dabei aber so oft wie möglich den Weg in die Tiefe suchen. Ein wesentlicher Faktor ist auch, den Gegner mit hohem Pressing unter Druck zu setzen und damit zu stressen. Ich will vor allem Fußball sehen.“ Im eigenen Ballbesitzspiel versucht der ehemalige Verl-Trainer, mit vielen Bewegungen und Positionsrochaden, die Halbräume zu öffnen und mit schnellem Spiel nach vorne zu bespielen. In dieser Saison legte Kniat es etwas vertikaler und flügellastiger an als zuvor – Bielefeld schlug die drittmeisten Flanken der Liga und kam am Ende „nur“ auf eine Passquote von 81%.

Dass man mit 55% dennoch zu den ballbesitzreichsten Teams der 3. Liga gehörte, lag vor allem am sehr aktiven Spiel gegen den Ball: konsequentes Angriffspressing mit vielen Mannorientierungen im Zentrum sowie permanentes Gegenpressing nach Ballverlust. Aufgrund der auf den ersten Blick schwachen Bielefelder Saison wären Skepsis und Kritik für Kniat in Nürnberg allerdings vorprogrammiert. Da hilft es wohl auch nicht, dass die Leistungen besser als die Ergebnisse waren und er zudem den Landespokal gewinnen konnte.

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Marco Wildersinn: gute Arbeit trotz missglückten Aufstiegen

Seit nunmehr zwei Jahren leistet Marco Wildersinn gute Arbeit bei den Würzburger Kickers in der Regionalliga Bayern – allerdings ohne sich mit dem Aufstieg belohnt zu haben. Nachdem der 43-Jährige sich in der Vorsaison aufgrund einer kleinen Schwächephase hinter Sandro Wagners SpVgg Unterhaching als Tabellenzweiter geschlagen geben musste, scheiterte man in dieser Saison als Meister in der Relegation gegen Hannovers U23 dramatisch im Elfmeterschießen.

Zwar wurde das Ziel Aufstieg bislang nicht erreicht. Jedoch hätte die Art und Weise, wie Wildersinn in Würzburg Fußballspielen lässt, es durchaus verdient gehabt. In Deutschlands Regionalligen gab es kein Team, das in der abgelaufenen Saison durchschnittlich mehr Ballbesitz (60%) verzeichnete als die Kickers. Mit dieser dominanten Spielweise und einem 4-3-3-System ist man seit zwei Jahren zumindest statistisch gesehen das Maß aller Dinge der Regionalliga Bayern. Mit hochschiebenden Außenverteidigern, einem ausbalancierten 3er-Mittelfeld, schnellen Flügelflitzern und einer folglich guten Ballbesitzstruktur fand man immer wieder Räume zwischen den gegnerischen Kette. Im letzten Drittel versuchte man immer wieder die einlaufenden Flügelspieler in den Schnittstellen zu finden, um anschließend mit Flanken die Box zu attackieren. Durch diesen hohen Flügelfokus gelang es der Wildersinn-Elf immer wieder, die massierten Zentren der Gegner zu knacken. Durch die hohen Positionierungen war man zudem eng vernetzt im Gegenpressing und kassierte laut Statistik kein einziges Kontergegentor. Stattdessen war man das Team der Regionalliga Bayern mit den mit Abstand meisten Balleroberungen im Angriffsdrittel.

Dass Wildersinn zudem anpassungsfähig ist, bewies die stark verbesserte Balance im Vergleich zur ersten Saison. Aus einem Torverhältnis von 103:36 wurde ein 79:20. Während man vorne sogar die Anzahl der Abschlüsse leicht erhöhen konnte, war man in der Defensive mit gut 6 zugelassenen Schüssen pro 90 Minuten mit Abstand die Benchmark in Deutschlands Regionalligen 2023/2024.

Nach fast 10 Jahren Trainererfahrung in der Regionalliga – vor Würzburg 8 jahrelang mit der TSG Hoffenheim II – könnte Wildersinn bereit für den nächsten Schritt sein. Sein Vertrag in Würzburg liefe durch den missglückten Aufstieg jedenfalls aus. Gegen Marco Wildersinn spräche jedoch die fehlende Erfahrung in Deutschlands Profiligen.

Pascal Bieler: ambitionierter Ex-Clubberer

Von 2008 bis 2011 kam Pascal Bieler im Trikot des 1. FC Nürnbergs 24-mal zum Einsatz. Inzwischen strebt der 38-Jährige eine professionelle Trainerkarriere an und absolviert seit Jahresbeginn den dafür nötigen Pro-Lizenz-Lehrgang am DFB-Campus. Nur wenige Wochen nach Beginn der Ausbildung musste der frühere Linksverteidiger im März allerdings die Entlassung beim Regionalligisten TSV Steinbach Haiger hinnehmen. Nach nur zwei Punkten aus 9 Spielen zogen die Verantwortlichen des Vorjahres-Zweiten die Reißleine. Denn aus einem Punkt Rückstand auf den Tabellenführer nach 13 Spieltagen wurde ein Punkt Vorsprung auf die Abstiegsränge nach 23 Spieltagen.

Umso beeindruckender war allerdings die Arbeit von Pascal Bieler, die er vor dieser Misere in der Saison 2022/2023 ablieferte. Im September 2022 übernahm Bieler die Hessen nach 8 Spieltagen auf Rang 8. Von den restlichen 26 Spieltagen gewann Steinbach 17 Spiele bei einem Torverhältnis von 64:21. Am Ende wurde man in einer starken Regionalliga Südwest (siehe Durchmärsche von Elversberg & Ulm) knapp hinter Aufsteiger Ulm mit nur einem Punkt Rückstand Vizemeister. Die Art und Weise, wie Bieler dieser Run gelang, passt durchaus zu den Vorstellungen von Chatzialexiou. Überwiegend im 4-3-3 agierend ließ Bieler seine Mannschaft mit 57% Ballbesitz das Spiel dominieren. Die Außenverteidiger agierten wie zuletzt unter Fiél tendenziell invers, um für die dribbelstarken Flügelstürmer isolierte Räume auf der Außenbahn herzustellen. Auch gegen den Ball war man sehr intensiv mit vielen hohen Balleroberungen. Die Folge war eine enorme hohe Torgefahr mit einigen Kantersiegen. Bis zu Spieltag 13 der darauffolgenden Saison sammelte Bieler mit seinem Team 86 Punkte in 40 Spielen. Doch dann folgte binnen 9 Spielen der Absturz von Rang 2 in die Abstiegsregionen bis hin zu seiner Freistellung.

Angesichts seiner Entlassung in der Viertklassigkeit wären auch bei Pascal Bieler Zweifel gerechtfertigt. Nichtsdestotrotz wäre ihm der große Sprung in die 2. Bundesliga aufgrund seiner vorherigen Erfolgsserie zuzutrauen. Zuletzt ließ sich der ehemalige Co-Trainer der Dortmunder U23 im Rahmen einer Hospitation von Edin Terzic inspirieren.

Viele potenzielle Kandidaten fallen durch das Raster

Zweifelsfrei gibt es noch andere passende Kandidaten, die in das von Chatzialexious gesuchte Profil passen. Aus der U-19 Bundesliga ist dies vor allem BVB-Trainer Mike Tullberg, der in Dortmund sehr gute Arbeitet leistet, zuzutrauen. Allerdings weckte Tullberg auch schon das Interesse von Eintracht Frankfurt in der Vergangenheit, wodurch ein Wechsel nach Nürnberg zumindest bezweifelt werden darf. Auch die Hoffenheimer U-19 von Tobias Nubbemeyer weiß zu gefallen, ist aber etwas vertikaler und mehr auf zweite Bälle ausgelegt.

Schaut man sich innerhalb der 2. Liga um, so würden beispielsweise Lukas Kwasniok aus Paderborn und Christian Titz vom SC Magdeburg für die gewünschte Art von Fußball stehen. Ein Wechsel zum Club scheint allerdings auch hier nicht realistisch. Nicht in das Profil passen hingegen viele der üblichen Verdächtigen, sobald in der 2. Bundesliga ein Job frei wird. Mit ihrer Spielweise entsprechen Thomas Letsch, Dirk Schuster, Thomas Reis und Co. nicht den Vorstellungen des neuen Nürnberger Sportvorstandes.

Aufgrund seiner DFB-Vergangenheit könnte dieser natürlich auch diesbezüglich seine Kontakte spielen lassen. Antonio Di Salvo, U-21-Trainer, wäre einer der Kandidaten – wird aber bei nicht wenigen kritisch gesehen und schied in seinem einzigen großen Turnier, der EM 2023, mit den DFB-Junioren bereits in der Gruppenphase aus. Hannes Wolf könnte ein weiterer Kandidat sein. Der 43-Jährige wird fachlich extrem geschätzt und leistet speziell in der Nachwuchsentwicklung gute Arbeit. Ob er diesen Posten aufgeben würde, ist die eine Frage. Die andere ist, ob er den Club in die gewünschten Regionen bringen könnte. Nach dem Aufstieg mit dem VfB Stuttgart 16/17 waren die darauffolgenden Stationen im Vereinsfußball nicht mehr von Erfolg gekrönt. Man darf gespannt sein, auf wen am Ende die Wahl der Nürnberger Führung trifft.


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