Mehr als 2 verlorene Punkte

Zu passiv und zu ängstlich - nach zweimaliger Führung fällt die Fiél-Elf nur noch tief in die eigene Hälfte, anstatt den Druck hochzuhalten. Der CLUBFOKUS analysiert die Punkteteilung zwischen dem 1.FC Nürnberg und dem VfL Osnabrück.

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Am Ende trennt sich der 1.FC Nürnberg mit dem Tabellenletzten aus Osnabrück 2:2 Unentschieden. Eine Reaktion auf den enttäuschenden Auftritt in Hannover bekamen die gut 25.000 Zuschauer im Max-Morlock-Stadion maximal in den ersten 25 Minuten zu sehen. Danach wurde es mager. Dennoch lag der Club bis zur Nachspielzeit in Führung. Dass es am Ende nicht zum Heimsieg reicht, ist bitter. Und dennoch alles andere als unverdient.

Fiél wählt Struktur aus dem Rostock-Spiel

Dabei ging der Samstagmittag aus Nürnberger Sicht durchaus ordentlich los. Das Team von Cristian Fiél, bei dem lediglich Gyamerah für Valentini neu begann, zeigte sich durchaus gut auf den Gegner eingestellt. Der Club störte die Koschinat-Elf relativ früh in deren Spielaufbau und positionierte sich ähnlich wie beim Rückrundenauftakt gegen Hansa Rostock beim hohen Anlaufen im 4-1-3-2. Uzun rückte neben Andersson, Castrop verteidigte mit den beiden nominellen Flügelspielern Okunuki und Goller den Raum dahinter. Die Position vor der Abwehr nahm wieder Florian Flick ein. Das Ziel dabei offensichtlich: das Zentrum geschlossen halten. Verständlich – schließlich fehlt es dem VfL an Mitteln, um dieses zu bespielen. In der Anfangsphase spielte der VfL tatsächlich keinen einzigen Angriff durch die Spielfeldmitte. Der Plan gegen den Ball schien aufzugehen.

Überspielen der Osnabrücker Pressingauslöser

Und mit Ball? Auch hier zeigte man zu Beginn gute Ansätze. Im Spielaufbau zeigte sich der Club variabel. Häufig baute man das Spiel aus dem 2-3 auf, bei dem Flick die Position vor der Abwehr zentral besetzte und die beiden Außenverteidiger Gyamerah und Brown daneben. Vor allem über Gyamerah und Flick baute man das Spiel durchaus gefällig auf und fand mit diesen die so oft zitierten Halbräume. Durch die vielen Osnabrücker Mannorientierungen im Zentrum war deren Struktur gegen den Ball ähnlich variabel. Häufig glich das Ganze am ehesten einem 4-2-2-2, in welchem vor allem der Pass auf die Außenbahn (Außenverteidiger/Flügelspieler) als Pressingauslöser fungierte. Dass Osnabrück in der ersten Hälfte der ersten Hälfte aber nur selten in diese Pressingauslöser kam, hatte auch mit einer guten Nürnberger Positionierung zutun – siehe 1:0.

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Entstehung vor dem Nürnberger Führungstreffer. Sehr variable Positionierung im Spielaufbau. Der rechte Halbraum wird überladen und in der Folge der Ball verlagert: ein häufig gesehenes Muster der Fiél-Elf – zumindest in der Anfangsphase. Marquez spielt den Ball auf Goller, der den Ball direkt in das Zentrum spielt, von wo aus der Club das Spiel beschleunigt und das Osnabrücker Pressing somit ins Leere laufen lässt. In der Folge kommt Uzun im Zehnerraum relativ unbedrängt an den Ball und zeigt einmal mehr seine Klasse.

Erste Anzeichen von Passivität

Bereits nach dem Führungstreffer nahm sich der Club nach und nach etwas zurück. Nach Balleroberung im Mittelfeld wollte man durch Spielverlagerungen die schnellen Flügelstürmer in Szene setzen. Da die Osnabrücker in ihrem Spiel wenig Überraschendes – der Großteil der Angriffe erfolgte über Rechtsaußen Conteh – zu bieten hatten, schien diese reaktive Herangehensweise lange Zeit aufzugehen. Denn während man den schnellen Stürmern der Lila-Weißen wenig Tiefe bot, nutzte man selbst den Raum bei Ballverlusten der Osnabrücker. Allerdings ohne über Ansätze hinaus gefährlich zu werden. Stattdessen kippte mit zunehmender Dauer der ersten Halbzeit das abwartende Verhalten der Nürnberger in Passivität, was die Gäste an Sicherheit gewinnen lies. Dies gipfelte schließlich im Ausgleichstreffer kurz vor der Halbzeit, als VfL-Rechtsverteidiger Androutsos unbehelligt durchs Cluberer Mittelfeld marschieren und Conteh in die Tiefe schicken durfte. Eine typische Verkettung von Fehler: Andersson verweigerte das Pressing. Castrop öffnete auf den Querpass spekulierend das Zentrum, wodurch auch Flick das Schlimmste nicht mehr verhindern konnte. Der Rest war leichtes Spiel für Conteh und den Torschützen Engelhardt.

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War einmal mehr der beste Cluberer: Can Uzun.

Kein Mut trotz erneutem Führungstreffer

Nach dem unzufriedenstellenden Verlauf der 1. Hälfte war eine Reaktion von Mannschaft und Trainer zu erwarten. Trotz wackligem Beginn schien der erneute Führungstreffer nach 50 Minuten diese Reaktion zu sein. Auch weil man sich etwas breiter positionierte, aber hauptsächlich aufgrund des sehr schwachen Defensiverhaltens Osnabrücks, konnte Uzun seine Abgezocktheit vor dem Tor erneut unter Beweis stellen. Dass ein recht simpel vorgetragener Flügelangriff mit einer Gegenbewegung die gegnerische Abwehr bereits entblößen konnte, sollte doch den nötigen Mut gegeben haben, in der 2. Halbzeit mehr die zweifelsohne vorhandenen eignen Stärken im Spiel mit Ball den Osnabrückern aufzudrücken. Was allerdings folgte, war eine beispiellose und gleichermaßen unerklärliche Vorstellung des 1. FC Nürnberg. Die krassen Leistungsschwankungen zwischen den Spielen des Clubs waren nun auch innerhalb eines Spieles präsent.

Passiv, ängstlich und ohne Entlastung

In der Folge zog sich der FCN zurück in ein 4-4-1-1, das aber extrem passiv interpretiert wurde. Kaum wurde aktiv nach vorne Druck ausgebüt, sondern stattdessen der Raum vor der Abwehr versucht kompakt zu halten. Es blieb häufig beim Versuch. Mit Ball verließ man seine Linie und schlug mehr lange Bälle als üblich. Dabei hätten sich viele Räume hinter der ersten Osnabrücker Pressinglinie ergeben, um das Spiel zu beschleunigen. Am Ende führte Sebastian Andersson 11 Kopfballduelle und gewann lediglich 27% seiner Offensivduelle. Ein Osnabrücker Sturmlauf mit dem in der Nachspielzeit kassierten 2:2 war die Folge.

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Szene Mitte der 2. Halbzeit: die Osnabrücker zentralen Mittelfeldspieler Kunze und Gnaase haben 30 Meter vor dem Nürnberger Tor keinen Druck und können das Abspiel von Cuisance ohne Bedrängnis empfangen. Uzun schließt den Passweg auf Kunze nicht rechtzeitig, Flick sichert lieber den Raum vor der Abwehr, anstatt auf Kunze zu schieben. Obwohl der Club hinten mit 3 gegen 2 Überzahl verteidigt. Ein Ausdruck der (zu) passiven und ängstlichen Spielweise in Halbzeit 2.

Zahlen zum Spiel Nürnberg-Osnabrück

Am Ende kann und darf man sich nicht über den späten Ausgleich beschweren. Osnabrück zeigte zwar bereits in den letzten Wochen, dass sie nicht so schlecht sind wie es die Tabelle vermuten lässt. Dennoch verzeichnet die Koschinat-Elf ausgerechnet in Nürnberg ihre Saisonbestwerte in einigen Statistiken wie Expected Goals und Gewonnene Offensivduelle. Der Club auf der anderen Seite eroberte noch nie so wenige Bälle im gegnerischen Drittel und im Mittelfelddrittel. Auch das spricht Bände und bestärkt den gesehenen Eindruck im Stadion oder an den TV-Bildschirmen. Vor allem die Daten aus dem 2. Durchgang sprechen Bände. So wird man sich am Ende kritische Fragen gefallen lassen müssen. Warum zeigt man seine an sich guten Abläufe im Positionsspiel zu selten? Warum fällt man nach Führungstreffern so tief, verteidigt nicht mehr aktiv und reagiert nur noch? Warum häuft sich das aktuell? Die passenden Antworten gilt es auf dem Platz zu geben. Am besten nächste Woche, wenn es gegen den nächsten Aufsteiger geht. Am Freitag ist der Club in Hessen beim SV Wehen Wiesbaden zu Gast.

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Die Zahlen zur 2. Halbzeit: erschreckend.

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