Jander rettet Klose – vorerst

Starke Einzelleistungen sowie Karafiats Idee, in eine neue Rolle zu schlüpfen, verschaffen Miroslav Klose zunächst Luft. Trotzdem darf an einem nachhaltigen Fortschritt weiterhin gezweifelt werden.

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Foto: fcn.de

Zweite Spitze Tzimas zündet

Miroslav Klose und der 1. FC Nürnberg konnten sich durch den wichtigen 3:2-Sieg gegen Preußen Münster etwas Luft verschaffen – ein Erfolg, der vor allem mit zwei starken Einzelleistungen verbunden ist. Stefanos Tzimas und Caspar Jander waren nicht nur wegen ihrer Tore spielentscheidend. Allein die Anwesenheit einer zweiten echten Sturmspitze schien dem Spiel des Clubs gutgetan zu haben. Doch es war vor allem die Dynamik und der Zug zum Tor, den der griechische Angreifer verkörperte, die den Unterschied ausmachten. Diese Stärken zeigten sich bereits nach sieben Minuten, als Jander den freien Raum vor sich erkannte, andribbelte und den entgegenkommenden Tzimas bediente. Als dieser den Ball annahm und Richtung Tor ansetzte, war fast schon klar, dass er den direkten Weg in den Strafraum suchen und abschließen würde. Die geringe Gegenwehr, die Tzimas dabei entgegenschlug, lässt sich wohl nur damit erklären, dass sich die „Torgeilheit“ des Stürmers nicht bis nach Münster herumsprach – ein Fehler, den der 18-Jährige konsequent ausnutzte. Über das gesamte Spiel hinweg blieb er ein ständiger Unruheherd und auch bei den von Klose geforderten Flanken ein gefährlicher Abnehmer.

Caspar Jander Masterclass

Der ohnehin schon seit Wochen starke Caspar Jander konnte seine Leistung individuell noch einmal steigern. Trotz der undankbaren Aufgabe, als alleiniger Aufbauspieler vor der Dreierkette zu agieren, stach der Mittelfeldspieler erneut im Spiel des Clubs hervor. Zwar konnte auch er die großen Abstände zwischen den Mannschaftsteilen in der ersten Halbzeit nicht vollständig kompensieren, doch sein Spiel blieb nahezu fehlerfrei – Jander brachte 98% seiner Pässe zum Mitspieler. Obwohl seine Hauptaufgaben als Sechser im Spielaufbau und im Verteidigen des Zentrums liegen, war er auch offensiv spielentscheidend. Auf seine Vorlage für Tzimas folgte ein beeindruckendes Solo zum 2:2, das den Weg zum Nürnberger Sieg ebnete. Auch beim entscheidenden 3:2-Siegtreffer durch Karafiat hatte der 21-Jährige mit seiner präzisen Freistoßflanke maßgeblich die Füße im Spiel. Trainer Klose honorierte nach dem Spiel auf der Pressekonferenz Janders besondere Leistung: „Er ist ein fantastischer Spieler. [..] Glücklicher kann ich nicht sein, dass ich so einen Spieler in meinen Reihe habe.“

Doppelspitze sorgt für Besserung

Zum ersten Mal in dieser Saison setzte Miroslav Klose auf eine Doppelspitze beim 1. FC Nürnberg, sodass Emreli und Tzimas von Beginn an starten durften. Zuletzt monierte der Trainer, dass Emreli sich die Bälle zu tief abholte. Da kein anderer Spieler die Position „auffüllte“, war die vorderste Nürnberger Reihe zuletzt kaum existent und machte es der gegnerischen Defensive leicht. Mit dem Doppelsturm änderte sich das, da einer der beiden immer auf Höhe der Innenverteidiger positioniert war, wodurch sich beispielsweise Tzimas vor dem 1:0 zwischen den Linien bewegen konnte, ohne dass die Münsteraner Abwehr konsequent mit nach vorne verteidigen konnte. Auch im Mittelfeld entstand dadurch mehr Platz, da die gegnerische Abwehr tiefer gebunden war. Erleichternd hinzu kam ein Gegner, der große Probleme hatte, das Zentrum im Spielaufbau zu schließen, wodurch der Club beim Überspielen der ersten Pressinglinie Freiräume vor sich fand. Diese wusste man jedoch zu selten zu nutzen. Wenn doch, wurde es gefährlich. So auch in der 8. Minute, als Caspar Jander den Ball erhielt und mit Ball viele Meter absolvierte. Einen Pass später war Tzimas am Ball, der mit seinem tollen Solo den frühen Führungstreffer markierte.

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Boxbesetzung, gegnerische Abwehr binden und mehr Freiräume im Mittelfeld. Die Nürnberger Doppelspitze tat dem FCN gut. Ansonsten war im Ballbesitz erneut wenig von Automatismen zu erkennen gegen Münsteraner, die Probleme im Pressing offenbarten.

„Ideenlos“: Schwache erste Halbzeit

Trotz der 1:0-Führung und trotz eines mäßigen Gegners enttäuschte der FCN im 1. Durchgang mal wieder. „Heute war es mit Ball manchmal ein bisschen ideenlos“, fällte auch Matchwinner Jander nach dem Spiel ein mäßiges Fazit. Die Nürnberger Struktur war zwar verbessert, die Interpretation blieb jedoch stark ausbaufähig, wodurch die Abstände zwischen den Mannschaftsteilen – vor allem zwischen Jander und der nächsten Ebene – zu groß wurden. Es fehlte an Bewegung, sich aus den Positionen heraus zu lösen und anspielbar zu machen. So blieb der Ballbesitz über weite Phasen extrem ungefährlich. Erschwerend hinzu kamen zahlreiche „unforced errors“, also Fehler, ohne dass sie der Gegner erzwang. Zahlreiche technische Fehler und schwache Ballan- und mitnahmen verlangsamten die Nürnberger Spielvorträge. Darüber hinaus war man extrem anfällig bei Münsters Flanken aus den Halbfeldern. Zum einen, da Münster mit viel Personal den Strafraum besetzte und zum anderen, da man deutlich zu passiv war und die Hereingaben nicht unterband. Man konzentrierte sich darauf, das defensive Zentrum zu verteidigen, ließ dadurch die Gäste aber ohne Gegnerdruck flanken. Daraus resultierte auch das 1:1 in der 16. Minute. Beim 1:2 durch Paetow kurz vor der Pause schätzte Nick Seidel, der einige Wackler überstehen musste, die Situation falsch ein, wodurch man mit einem Rückstand in die Pause ging.

Karafiat bestimmt seine neue Rolle

Im zweiten Durchgang gelang es dem Club, das Spiel mehr in die Münsteraner Hälfte zu verlagern. Auch die Anbindung an die Halbräume war besser, da man sich mehr bewegte und mehr Bälle forderte. Auffällig war auch, dass der Club nun nicht mehr aus einem klaren 3er-Aufbau das Spiel eröffnete. Ondrej Karafiat interpretierte seine Rolle deutlich offensiver als sein Pendant Nick Seidel. Dadurch konnte Villadsen (und später Goller) an der Außenlinie hochschieben, da Karafiat fast schon als Rechtsverteidiger mit Ball agierte. Besonders auffällig war, dass dies die eigene Idee des späteren Torschützen war, wie er nach dem Spiel in der Mixed Zone erklärte: „Es war meine Idee. Wir lagen hinten, ich hatte das Gefühl, dass ich dort frei war, weil der gegnerische Angreifer nicht mir mit ist. Ich glaube, das war gut.“ Auf Nachfrage erklärte er explizit, dass es nicht die Idee des Trainertetams war, sondern er selbst diese Anpassung nach der Pause vornahm – mit Erfolg. Obwohl der Club dadurch besser in die gegnerische Hälfte kam und auch mehr zweite Bälle aufsammelte, fielen die Tore letztendlich anders. Das 2:2 war eine Einzelaktion Janders, der zum wiederholten Male der stärkste Cluberer war. Das 3:2 erzielt „Taktikfuchs“ Karafiat selbst. Auch wenn man in den zweiten 45 Minuten das bessere Team war, hatte man defensiv den ein oder anderen Aussetzer. Die gefährlichen Standards und vor allem die Einwürfe sorgten nicht selten für Gefahr. Dazu kamen selbstverschuldete gegnerische Abschlüsse, wie zum Beispiel nach Ballverlust Seidel oder einem nicht-erfolgreichen Ausflug aus dem Fünfmeterraum von Jan Reichert.

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Ondrej Karafiat änderte seine Rolle in der 2. Halbzeit selbst. Münster hatte große Probleme, sich daran zu adaptieren. In der Folge spielte sich der Großteil des 2. Durchgang in Münsters Hälfte ab.

Zarte Hoffnung auf nachhaltigen Fortschritt

In erster Linie verschafft der Sieg Klose und seiner Mannschaft Zeit, um an den immer noch kaum vorhandenen Automatismen zu arbeiten. Nach wie vor wirkt das Spiel des FCN in vielen Phasen zu zufällig – sei es im Pressing, dem tiefen Verteidigung, dem Spielaufbau oder dem Kreieren von Chancen im letzten Drittel. Dennoch scheint die Umstellung auf zwei Spitzen ein kleiner Schritt in die richtige Richtung gewesen zu sein. Vor allem in der zweiten Halbzeit gelang es, die über weite Strecken schwachen Münsteraner in deren eigene Hälfte zu drängen. Dass die entscheidenden Tore allerdings nach Standardsituationen fielen, ist ebenfalls Teil der Wahrheit. Wie schon nach den Siegen gegen Schalke und Ulm besteht nun die Hoffnung, in Ruhe weiter am Ballbesitzspiel arbeiten zu können. Ob dies nachhaltig gelingt, bleibt jedoch fraglich – eine Punkteteilung gegen den Aufsteiger wäre an diesem Tag keineswegs aus der Welt gewesen, wie auch die ausgeglichenen Expected Goals zeigen, laut welcher beide in etwa 1.5 Tore erzielen hätten „dürfen“.