Viele Fragezeichen
Es war nicht wirklich klar, was den 1. FC Nürnberg in Berlin erwarten würde. Das Spiel eins nach einem Trainerwechsel ist immer eine relativ große Unbekannte. Tatsächlich nahm Herthas neuer Trainer Stefan Leitl personell zwei Änderungen vor. Mit Florian Niederlechner durfte ein „echter“ Stürmer anstelle von Michael Cuisance beginnen. Zudem rückte Tjark Ernst zurück ins Tor. Die vielleicht noch größere Überraschung nahm jedoch Miroslav Klose, der dem Eigengewächs Tim Janisch den Vorzug vor Oliver Villadsen auf der rechten Seite gab, vor.
Bekannte Defensivstruktur
Ähnlich wie in den letzten beiden Partien verteidigte der FCN im 5-4-1 etwas tiefer. In dieser Struktur präsentierte man sich bereits in Magdeburg und gegen Ulm aus dem Spiel heraus sehr stabil. Allgemein dosierte man das Risiko sehr und legte einen hohen Wert auf Kompaktheit, um das Tempo der Berliner Offensivspieler zu egalisieren. Auch deshalb forcierte man nur sehr ausgewählt Pressing- und Gegenpressingsituationen.
FCN zu unsauber
Vor allem in den ersten Minuten der Partie agierte Nürnberg zu fehleranfällig. Leichte, unnötige Ballverluste prägten den Spielbeginn. Die Hertha versuchte immer wieder, den FCN isoliert auf eine Seite zu lenken und in der Folge mit viel Personal auf den Pass nach außen zu pressen. Die Mannschaft von Miroslav Klose war aber offensichtlich darauf vorbereitet und zeigte zumindest im Ansatz Lösungen dagegen.
Eine davon war, dass beispielsweise Knoche den Pass nach außen anttäuschte. In diesem Moment verschob die Hertha bereits auf die Seite und öffnete dadurch den Halbraum, den der FCN nun bespielen konnte. Fehler in der Ballverarbeitung oder Anschlussaktion ließen dies aber nur zur Randnotiz werden.
Intensive Berliner
Dass der 1. FC Nürnberg teilweise zu einfach die Bälle verlor, hing auch mit der Heimmanschaft zusammen. Die Hertha zeigte schon einige der Elemente im Spiel gegen den Ball, die Leitls Hannover defensiv so stabil machte. Intensität, das bewusste Lenken des Gegners in gewisse Räume und Aggressivität.
Doch natürlich hat jede Art und Weise des Verteidigens auch seine negativen Seiten. Eine davon beim Hauptstadklub war, dass die ballferne Seite dementsprechend verwaist war, wenn sich der Club aus dem Pressing befreien konnte. Doch auch hier passten die Nürnberger Anschlussaktionen zu selten, um wirklich für Torgefahr zu sorgen.
Chancen: Mangelware
Da der FCN vor allem auch seine Umschaltsituationen längst nicht so gut und zielstrebig ausspielte, wie bereits gesehen, waren offensive Aktionen dementsprechend selten. Auch die Hertha tat sich sehr schwer, aus dem Spiel heraus gefährlich zu werden. Bei der Leitl-Elf sah man deutlich weniger Risiko mit Ball als in den Spielen unter Ex-FCN-Trainer Cristian Fiél.
Sie rotierten nur selten in den Positionen und legten viel Wert auf Absicherung. Nach vorne sollte es eher mit „einfachen“ Mitteln über die Flügel gehen. Vereinzelt schafften es Reese und Scherhant in den Rücken der Nürnberger Schienenspieler. Viel mehr als ein gefährlicher Abschluss Reeses (28.) sprang aber nicht dabei heraus.
Nürnbergs neue Qualität
Auch nach der Pause blieb das Bild im Wesentlichen unverändert. Nürnberg presste vereinzelt höher und leicht verändert, aber eben nur vereinzelt. Dennoch sieht man mittlerweile, dass die Klose-Mannschaft gut verteidigen kann und dabei wenig Fehler macht. Sowohl Tim Drexler als auch Ondrej Karafiat verteidigten immer wieder auf die Berliner Halbraumspieler nach vorne, sodass diese sich nicht aufdrehen und auf die Nürnberger Abwehr zulaufen konnten.
Schaffte es Berlin, auf dem Flügel in Richtung Sechzehner zu kommen, schob immer mindestens ein FCN-Akteur mit zur Seite, um isolierte 1-gegen-1-Situationen gegen Reese und Co. zu verhindern. Viele Halbfeldflanken und wenig Torgefahr der Berliner war die Folge. Auch, weil beispielsweise Janisch einen guten Job machte.
Offensiv zu wenig
Nach vorne blieb jedoch über fast die gesamte Spielzeit vieles Stückwerk. Stefanos Tzimas war häufig alleine – und wenn er am Ball war, traf auch er nicht immer die richtige Entscheidung. Drei Punkte wären dennoch möglich gewesen – vor allem, wenn Berkay Yilmaz kurz vor Schluss nach seinem Durchbruch auf links die richtige Entscheidung getroffen hätte und den Ball direkt auf den blanken Tzimas in die Mitte gegeben hätte. Wäre dieser Treffer verdient gewesen? Wahrscheinlich nicht, denn die Hertha war schon die aktivere Mannschaft, die mehr für das Spiel tat – ohne dabei zu glänzen oder viele Hochkaräter zu kreieren.
Stabiler FCN
Es war sicherlich kein Spektakel und kein offensives Highlight, das die Fans am Freitagabend im Olympiastadion zu sehen bekamen. Es war jedoch erneut ein sehr geduldiger und kontrollierter Auftritt des 1. FC Nürnberg – zumindest im Spiel gegen den Ball. Gut möglich, dass der Club von vor ein paar Monaten mit deutlich mehr Chancen aus dem Spiel heraus gegangen wäre, aber im entscheidenden Moment defensiv gepatzt hätte. Insofern wird man mit dem etwas schmeichelhaften 0:0 durchaus leben können, zumal die Umstände für das Spiel aufgrund des Berliner Trainerwechsels nicht die einfachsten waren.