FCN mit bester Saisonleistung beim HSV?
Nach einem Spiel in Hamburg zwei verlorenen Punkten nachzutrauern – das hätte beim 1. FC Nürnberg vor vier Wochen wohl kaum jemand erwartet. Ebenso wenig hätte man geglaubt, dass der Club nach dem 4:0-Derbysieg eine noch bessere Leistung auf fremden Platz zeigen könnte. Doch nach der beeindruckenden Vorstellung beim favorisierten HSV lässt sich womöglich sogar vom besten Spiel der Saison sprechen. Am Ende stand dennoch nur ein 1:1, was viele im Vorhinein wohl unterschrieben hätten. Angesichts der dominanten Darbietung, der herausgespielten Chancen und einer starken Defensivleistung wäre jedoch ein ähnliches Ergebnis wie in Fürth möglich gewesen.
Klose-Elf einen Schritt voraus
Wie schon in den Vorwochen sah man einen 1. FC Nürnberg, der gut auf das Spiel und den Gegner eingestellt war. In der Folge hatte man auch häufig den Eindruck, dass die Klose-Elf gedanklich einen Schritt schneller war als der HSV. Tatsächlich schaffte es es der FCN, sich immer klug an das Hamburger Anlaufverhalten anzupassen. Hamburg setzte im Spiel gegen den Ball auf ein 5-3-2, wenn sie höher anlaufen wollten und auf ein 5-4-1 im tieferen Block. Interessant war, dass der FCN beim eigenen Abstoß sich im 4-2-2-2 positionierte – erneut schob Jeltsch neben Jander auf die Sechs, während Castrop und Justvan die offensiven Halbpositionen hinter der Doppelspitze einnahmen. Darüber hinaus versuchte, der HSV unter anderem mit ihren Außenverteidigern Katterbach und Muheim Zugriff auf Villadsen und Soares zu erhalten, was aber nur bedingt funktionierte. Auch weil der Club darauf immer wieder eine Antwort hatte und die jeweils freiwerdenden Räume zu besetzen wusste, woraufhin der HSV immer weiter zurückgedrängt wurde.
HSV enttäuscht mit Ball
Der HSV erzielte bereits vor dem Spiel die meisten Kontertore der Liga. Gegen den FCN kam ein weiteres hinzu, da sich Tzimas in der Vorwärtsbewegung vor der gegnerischen Kette aufdreht, wo er sich nicht hätte aufdrehen sollen. „Wir haben mit Caspar (Jander) einen Spieler, dem er den Ball klatschen lassen kann. Aber daraus wird er lernen“, kritisierte Klose. In der Folge spielt der HSV den Konter aber auch extrem stark aus. Abgesehen davon sah man von der Baumgart-Elf aber nur sehr wenige Elemente mit Ball. In der ersten Halbzeit setzten die Hamburger auf ein 3-Raute-3, nach der Pause sah man häufiger ein 3-Box-3. Wirklich funktioniert hat beides nicht. Wenn man nach vorne kam, ging es fast ausnahmslos über Dompé, der in der Anfangsphase seine Gefahr im 1-gegen-1 andeutete. Auch Baumgart verstand nicht wirklich, warum man ihn im Laufe der Begegnung nur noch selten in Szene setzte: „Wir haben Dompé aus dem Spiel genommen, was ich nicht verstanden habe.“
Knoche und Klose üben Kritik
Bereits im 1. Durchgang schaffte es der Club über relativ weite Phasen, das Spiel zu kontrollieren. Wirklich gefährlich wurde es aber nur in der Anfangsphase über Emreli und in der Schlussphase vor der Halbzeit. Zwischendrin spielte man zwar nicht schlecht, ließ aber das nötige Balltempo vermissen, um den engmaschigen HSV-Block in Bewegung zu bringen. Stattdessen hielt man häufig den Ball zu lange am Fuß. Das in den letzten Wochen – und im 2. Durchgang erneut – viel praktizierte Spielen und Gehen war ebenfalls weniger zu sehen. Dabei offenbarte der HSV bereits hier das ein oder andere Problem. So war das Durchdecken und Herausrücken des Defensivzentrums oftmals sehr unsauber, sodass viel Raum vor und hinter der Abwehr entsand. Auch Miroslav Klose sah noch Luft nach oben in der ersten Halbzeit: „Gegen den Ball war es nicht gut. Auch wenn wir Linien überspielt haben, hätten wir den Klatschspieler öfter finden müssen.“ In diesem Zusammenhang betonte der FCN-Trainer die Wichtigkeit seines Kapitäns Knoche, der in der Halbzeit wohl etwas lauter wurde: „Er staucht die Jungs in der Halbzeit zusammen, das war heute wichtig.“
FCN dominiert nach Belieben
Klose sprach nach der Partie von einem „sehr guten und dominanten Spiel“ – mit Recht. Vor allem in der 2. Halbzeit zeigte man die vermutlich kompletteste Leistung der Saison. Die eigenen Angriffe bereitete man gut vor, wogegen der HSV keine Antworten fand. Immer wieder schaffte man es, über Jander, Knoche, Jeltsch und Co. die erste Hamburger Pressinglinie zu überspielen, woraufhin vor allem Jeltsch häufig andribbeln konnte. Nachdem Justvan sich zunächst im Halbraum positionierte, rückte er situativ weit auf den Flügel, um diesen zu überladen. Erhielt Villadsen den Ball, ging Justvan vom Halbraum aus auf die Außenbahn in die Tiefe – auch Emreli bewegte sich in Richtung Ballnähe, sodass der Club eine Überzahlsituation herstellen konnte und für viele Durchbrüche im Rücken der Hamburger Defensive sorgen konnte. Auch vor dem 1:1 erzeugt die Klose-Elf eine 4-gegen-2 Überzahl auf Außen, in der Folge trifft Emreli zum hochverdienten 1:1. Hochverdient, da der FCN zwischen Minute 46 und dem 1:1 in der 63. Minute ein Torschussverhältnis von 11:1 zu seinen Gunsten aufweisen konnte.
Souveräne Schlussphase gegen aktiveren HSV
Nach dem Nürnberger Ausgleich versuchte der HSV, sein risikoarmes Spiel wieder aktiver zu gestalten. Gegen den Ball störte man den fränkischen Spielaufbau zumindest phasenweise etwas früher. Mit den Einwechslungen von Pherai, Balde und wenig später Königsdörffer wollte Baumgart von der Bank aus für frischen Wind in der Offensive sorgen. Tatsächlich kamen die Rothosen im letzten Drittel des Spiels nur unwesentlich seltener ins Angriffsdrittel als in der gesamten Stunde zuvor. Dies änderte jedoch nichts daran, dass der HSV nach wie vor kaum gefährlich ins Zentrum spielen konnte. Lediglich Einzelaktionen über den dribbelstarken Balde oder den risikofreudigen Pherai deuteten einen Hauch von Gefahr an. Bis auf den Pfostenschuss von Richter und den Abschluss aus spitzem Winkel von Selke ließ der FCN aber nur wenig anbrennen. Stattdessen behielt man auch in dieser Phase des Spiels durch ruhige Ballbesitzphasen die Spielkontrolle. Allerdings büßte man mit den Auswechslungen von Emreli und Tzimas zunehmend an Torgefahr ein und kam nach dem Ausgleich nur noch zu zwei Abschlüssen.
Positiver FCN-Trend fortgesetzt
Nichtsdestotrotz steht am Ende ein überzeugender Auswärtsauftritt, der den positiven Trend der letzten Wochen auf beeindruckende Weise bestätigte. Nachdem man zuletzt viel über Umschaltaktionen gefährlich wurde, sah man diesmal auch sehr viele gute Elemente im Spiel mit Ball, auf die der HSV kaum Antworten parat hatte. Lediglich die Effizienz und die Chancenverwertung verhindern am Ende den Auswärtssieg. Sowohl auf Hamburger als auch auf Nürnberger Seite dürfte man lange zurückdenken müssen, um sich an einen derart überlegenen FCN im Volkspark erinnern zu können.
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