FCN mit mehr Ballbesitz – mehr Schein als Sein?

Obwohl der 1. FC Nürnberg aus den Partien gegen Hertha und Hannover keine Punkte holte, lobte Miroslav Klose jeweils den eigenen Ballbesitz. Ein Trugschluss?

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Foto: FCN

Offensiv harmlos 

Die bislang acht erzielten Nürnberger Treffer werden in der 2. Bundesliga lediglich von Regensburg und Darmstadt unterboten. Auch bezüglich der Chancenqualität, also der Expected Goals, steht der Club auf Platz 16. Zahlen, die die offensichtlichen Probleme im Angriffsspiel belegen. Miroslav Klose sah zuletzt dennoch Schritte in die richtige Richtung. Bereits nach Berlin lobte er den höheren Ballbesitzanteil seiner Mannschaft: „Wir wollten heute ein bisschen mehr den Ball haben. Das ist uns gelungen.“ Nach Hannover fand er ähnliche Worte: „Das hat bis fast zum Schluss richtig gut ausgesehen – auch die Ballbesitzphasen, die wir wollten.“ 

Kein zwingender Ballbesitz

Kloses Aussagen sind faktisch nicht falsch – gegen die Hertha hatte man mehr Spielanteile, während sie gegen Hannover relativ ausgeglichen waren. Gleichzeitig belegen die Statistiken, dass der Nürnberger Ballbesitz in beiden Partien qualitativ deutlich schwächer war. Hannover und Hertha spielten gegen den FCN insgesamt 103 erfolgreiche Pässe in das Angriffsdrittel. Die Klose-Elf kommt im Vergleich dazu auf mickrige 36. Man könnte noch viele weitere Zahlen heranziehen, um die Unterschiede im Ballbesitzspiel aufzuzeigen – zum Beispiel, dass in den beiden Spielen der Club nur 63% seiner raumgewinnenden Pässe anbrachte, während es bei Hertha und Hannover 86% waren. Allesamt bestätigen sie eines. Dass der 1. FC Nürnberg derzeit kaum in der Lage ist, Torgefahr zu erzeugen.

„Uns fehlen die Männer“

Der wenig zielführende Nürnberger Spielvortrag resultiert aus mehreren Gründen. Zum einen ist es nicht verwunderlich, dass Offensivpower fehlt, wenn so viele Spieler wie beim FCN für den tiefen Spielaufbau abgestellt sind. Drei Innenverteidiger, zwei defensiv orientierte Außenverteidiger sowie ein bis zwei weitere defensive Mittelfeldspieler vor der Abwehr. Dadurch blieben beispielsweise gegen Hannover lediglich Emreli, Schleimer und situativ Justvan, die höher positioniert waren. „Uns fehlen die Männer vorne“ merkte Julian Justvan bereits nach dem Hertha-Spiel an.

Fehlende Anpassungen

Tatsächlich ist es im Fußball möglich, sich im Aufbau mit vielen Spielern eher tief zu positionieren und dennoch erfolgreich zu sein. Versucht der Gegner, einen Mann-gegen-Mann zu pressen, öffnen sich vorne dementsprechend viele Räume, da der Gegner mit vielen Spielern vorne zustellen muss, um Druck auf den Spielaufbau zu bekommen. Das passierte jedoch in den letzten beiden Spielen nur bedingt. In der Folge wären Anpassungen und andere Positionierungen im Spielaufbau nötig gewesen. Hiernach sucht man jedoch vergebens. Nicht selten passiert es beim FCN in der Saison, dass der Plan von Minute 1-90 nahezu ähnlich aussieht, was auch ein klares Indiz für zu wenig (ausgereifte) Prinzipien ist. Denn anderenfalls wären die Spieler in der Lage, die besetzten Räume an das Anlaufverhalten des Gegners anzupassen. 

Ein Umbruch braucht Zeit

Zahlreiche neue Spieler, ein neues Trainerteam und insgesamt ein riesiger Umbruch. Dass das Zeit benötigt, steht außer Frage. Dass nach 8 Pflichtspielen noch nicht alles läuft – logisch. Miroslav Klose verlor bei seinem Antritt nur sehr wenige Worte über seine Vorstellungen. Der Großteil davon lautete: „Die Philosophie ist, Dynamik zu entfachen. Ballbesitz und eine gewisse Dominanz auf dem Spielfeld, dafür steh ich ein.“ Zumindest nach 3 Monaten Amtszeit kann man noch nicht viel von qualitativ gutem Ballbesitz, Dynamik oder geschweige denn Dominanz erkennen.

Flanken als Lösung?

Die fehlende Torgefahr erklärte Klose nach den letzten beiden Spielen unter anderem mit zu wenig Hereingaben. Nach Hannover sagte er: „Wenn wir in die Räume auf außen kommen, müssen wir viel, viel mehr flanken.“ Tatsächlich schlägt der FCN bislang die wenigsten Flanken der Liga. Ob Flanken das Erfolgsrezept angesichts der oftmals spärlichen Boxbesetzung sind, ist das eine. Viel schwerwiegender ist jedoch, dass man deutlich zu selten in Situationen kommt, um überhaupt flanken zu können. Lediglich 90 Ballkontakte verzeichnet der Club pro 90 Minuten im Angriffsdrittel, Köln liegt beispielsweise mit 180 bei doppelt so vielen. Auf Platz 17, aber dennoch relativ deutlich vor dem FCN, befindet sich Preußen Münster mit 105 Ballkontakten im letzten Drittel. Man darf gespannt sein, welches der beiden Teams am Samstag im Max-Morlock-Stadion seine Statistik aufbessern kann. 

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