FCN mit 15 besten Minuten der Saison?
Das Positive vorneweg: zum ersten Mal in dieser Saison waren beim 1. FC Nürnberg so etwas wie fußballerische Ansätze zu erkennen. Zumindest phasenweise. Denn von der 50. bis 65. Minute wusste die Klose-Elf im eigenen Ballbesitzspiel zu gefallen. Während den Gastengebern das intensive Spiel (über 30 Sprints mehr als der FCN in den ersten 60 Minuten) anzumerken war, agierte der FCN mutiger im Spielaufbau. Statt den Ball auf die beiden Außenverteidiger zu spielen und anschließend entlang der Linie lang zu schlagen, fand man immer wieder Dreh- und Angelpunkt Jander im Zentrum. Mit seiner Wendigkeit und Ballsicherheit überspielte Jander in dieser Phase immer wieder das Hannoveraner Pressing, um wenige Augenblicke später den Übergang ins letzte Drittel zu forcieren. Gleichzeitig stand man auch gegen den Ball höher und ließ sich nicht ins eigene Drittel drängen. Zwar blieben gute Torchancen auch in dieser Phase aus. Jedoch konnte man das Gefühl entwickeln, dass der FCN nun kurz davor wäre, das Spiel an sich zu reißen. Es blieb bei einem Gefühl. Ordentliche bis gute 15 Minuten mit Ball reichten für dieses Auswärtsspiel – geschweige denn für die gesamte bisherige Saison – bei Weitem nicht aus, um in der 2. Bundesliga mithalten zu können. Stattdessen waren die restlichen 75 Minuten gegen einen mäßigen Gegner wieder einmal ungenügend.
Fokus auf Defensive und Sicherheit
Nicht nur die personellen und strukturellen Änderungen im Nürnberger Spiel zeigten, dass der Fokus und Matchplan ganz klar auf Sicherheit bedacht war. Über weite Phasen igelte man sich im 5-4-1 im eigenen Abwehrdrittel ein. Da Hannover in der Saison offensichtliche Schwächen hatte, einen tiefen und kompakten Block zu bespielen, war der Ansatz durchaus verständlich. Dennoch funktionierte auch im tiefen Verteidigen nicht alles. Hannovers Plan war relativ klar erkennbar. Über Steil-Klatsch-Tief-Aktionen wollte man in den Rücken der Nürnberger Abwehr kommen. Zur Erklärung: Steil sollte der erste Pass im Spielaufbau sein, beispielsweise von Innenverteidiger Halstenberg auf den entgegenkommenden Stürmer Ngankam. Dieser sollte den Ball klatschen lassen auf den nachrückenden Achter, wie zum Beispiel Leopold. Und von dort aus suchte man die Tiefe in Form eines Steckballs auf den hochschiebenden Rechtsverteidiger Muroya.
Das gelang gar nicht so selten, vor allem in der Anfangsphase. Zum einen, weil man die Räume im Zentrum nicht so schloss, dass der Ball nach vorne gespielt werden konnte – zum anderen, da die Innenverteidigung nicht permanent konsequent nach vorne verteidigte, wodurch Ngankam häufig den einen Moment Vorsprung hatte. Hätte Hannover diese Aktionen präziser gespielt, wäre man deutlich häufig in den Rücken Soares‘ gekommen, der weit nach innen auf den eingerückten Flügelspieler Lee verteidigen musste, wodurch Muroya viel grüne Wiese vor sich gehabt hätte – auch, da Soares mal wieder zeigte, dass er nicht der schnellste ist. Nach einer gewissen Zeit schaffte man es aber, sich besser auf diese Aktionen einzustellen – verzichtete aber auf jegliche Pressingauslöser, um höher anzulaufen. Und, was gesagt werden muss: Die Boxverteidigung funktionierte sehr gut. Egal, ob Karafiat, Knoche oder Seidel – allesamt konnten viele Hereingaben klären, sodass der Club nur wenig klare Chancen zuließ, was ein Schritt nach vorne war…
Auf der Suche nach Torgefahr
…wohingegen man in der Offensive altbekannte Probleme an den Tag legte. Wer Fortschritte sehen möchte, kann sich darauf beziehen, dass man den eigenen Abstoß öfter flach eröffnete und der Ball häufig „erst“ von den Halbverteidigern oder Außenverteidigern in Richtung Angriff geschlagen wurde. Auch die Raumaufteilung war verbessert, aber immer noch weit entfernt von gut. Hannover schaffte es zu fast jederzeit, aus dem 4-2-2-2 Zugriff herzustellen und lenkte den FCN-Spielaufbau auf eine Seite, woraufhin man mit viel Personal auf diese schob. Dann endeten die meisten Aktionen, weil man nach wie vor vergeblich auf der Suche nach Abläufen, Automatismen und Prinzipien im Nürnberger Ballbesitzspiel ist.
Was mal wieder fehlte, war Tiefe in der vordersten Reihe. Emreli kam häufig entgegen, der Raum hinter ihm „aufgefüllt“ wurde jedoch nicht. Erschreckend waren auch die eigenen Umschaltaktionen nach tiefen Ballgewinnen. Beispielhaft ist die Szene in der 13. Minute. Ein abgewehrter Standard landet bei der Klose-Elf, der ballführende Justvan und Emreli kontern gegen drei Hannoveraner. Drei weitere Hannoveraner gehen im Vollsprint nach hinten mit – auf einen nachrückenden Nürnberger Spieler wartet man vergeblich. Tief verteidigen ja, nach Balleroberung gar nicht umschalten? Dann wird es schwierig, Tore aus Kontern zu erzielen, die man umso mehr bräuchte, da der eigene Spielaufbau nach wie vor ungenügend ist.
Trotz niedriger Messlatte: Schlüsselspiel Münster
Die Niederlage hat man sich am Ende selber zuzuschreiben, da das Foul vor dem 0:1 maximal unclever in der Entstehung war und das kurz darauffolgende 2:0 das Spiel entscheidet. Mit etwas mehr Glück wäre an diesem Tag für den 1. FC Nürnberg durchaus ein torloses Remis möglich gewesen. Dass dieses Ergebnis derzeit das höchste der Gefühle ist, verdeutlichtet die aktuelle Situation und wie tief die Messlatte inzwischen hängt. Sowohl Kapitän Knoche als auch auch Trainer Klose sprachen im Nachgang der Partie von einem „ordentlichen“ bis sogar „richtig gutem“ Auftritt. Freilich zählt Hannover als Aufstiegskandidat zu den schwersten Auswärtsspielen dieser Saison. Doch – wie schon die Gegner zuvor – waren die Niedersachsen nicht an ihrem Leistungsmaximum. Trotzdem reichte es zu einem ungefährdeten Sieg gegen einen Club, der über die gesamte Spielzeit hinweg deutlich unter 1.0 xG blieb und sich dementsprechend kein Tor verdiente. Folglich könnte man beim kommenden Heimspiel gegen Preußen Münster bereits von Abstiegskampf reden. Immerhin trifft dann der Tabellenvierzehnte auf den Tabellenfünfzehnten. Über die Wichtigkeit für die Stimmung im Umfeld des Vereins und vor allem für Trainer Miroslav Klose bedarf es keiner Worte mehr. Inzwischen hat sich der FCN in die Lage manövriert, nicht nur dringend Leistung, sondern auch Punkte holen zu müssen. Bleibt beides gegen Münster aus, steht eine unruhige Länderspielpause bevor.