Enttäuschend, weil vielversprechend: FCN mit 3:3 in Berlin

Über weite Strecken der Partie zeigte der 1. FC Nürnberg den Fußball, den man aus besten Hinrundenzeiten kannte. Trotzdem belohnte man sich am Ende nicht mit drei Punkten, auch weil man drei vermeidbare Gegentore kassierte. Der CLUBFOKUS analysiert die Partie: inklusive Spielerbenotungen.

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Foto: fcn.de

Nürnberger Ballbesitz: mit Mut und Bewegung zwischen die Linien

Von Anpfiff an kam der 1. FC Nürnberg gut in die Partie und dominierte die Hertha. Vor allem das Spiel mit Ball wirkte wie zu besten Zeiten. Florian Flick ließ sich häufig zwischen die beiden Innenverteidiger Horn und Jeltsch fallen, den Raum auf der 6 besetzten dafür die einrückenden Außenverteidiger Brown und Gyamerah. Castrop und Uzun besetzten die offensiven Habpositionen, während Okunuki und Goller die Breite besetzten. Stürmer Schleimer fand immer wieder den richtigen Moment, um sich ebenfalls fallen zu lassen, wodurch die beiden Herthaner Innenverteidiger Gechter und Dardai in Schwierigkeiten kamen. Rausrücken und dafür hinten Tiefe anbieten oder hinten bleiben und dafür im Zentrum in Unterzahl agieren? Eine Antwort fanden sie nur selten raus. Der Club fand mit vielen linienbrechenden Pässen exakt diese Räume und kam dadurch häufig in den Rücken der Berliner Doppel-6 und in der Folge auch häufig hinter die Berliner Abwehr. Auffallend gut war auch das Timing der Nürnberger Positionswechsel, so fand das Wechselspiel zwischen der Positionierung von Flick und der von Gyamerah und Brown fast immer im richtigen Moment statt, wodurch die Berliner die Fiél-Elf kaum in Ordnung erwischen konnten.

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Nürnberg im Spielaufbau – Florian Flick pendelte zwischen der 6er-Position und der des zentralen Spielers im 3er-Aufbau. Auffallend oft fand man ihn und konnte von dort aus das Spiel nach vorne beschleunigen. Gyamerah und Brown besetzten dafür den Raum vor dem 3er-Aufbau. Insgesamt eine sehr gute Struktur im Ballbesitz, auf die die Hertha kaum Zugriff bekam und in gefährlichen Räumen in Unterzahl agierte.

Der Club gegen den Ball: deutlich höher als zuletzt

Schwächen erkannte das Nürnberger Trainerteam in der Spielvorbereitung offensichtlich auch im Herthaner Spielaufbau. Denn anders als in den Partien gegen Magdeburg und St. Pauli stellte man deutlich höher zu. Im hohen Anlaufen wählte Fiél ein 4-1-3-2. Uzun rückte neben Schleimer, dahinter ergab sich eine 3er-Reihe mit Castrop im Zentrum sowie Goller und Okunuki auf den Halbpositionen. Das Ganze sah strukturell ähnlich aus wie zum Beispiel im 1. Rückrundenspiel gegen Hansa Rostock. Zur Wahrheit gehört auch, dass die Hertha vor allem in der 1. Halbzeit extrem statisch im Spielaufbau agierte. Die beiden 6er Klemens und Dudziak verweilten starr auf ihren Positionen, weshalb Uzun und Schleimer Druck auf die ballführenden Innnenverteidiger ausüben und gleichzeitig die defensiven Mittelfeldspieler durch ihren Deckungsschatten aus dem Spiel nehmen konnten. Schaffte es die Hertha doch mal, die Stürmer zu überspielen, waren gleich 3 Nürnberger im Zentrum in relativer Ballnähe. Vor allem Castrop sorgte in diesem Raum für viele Ballgewinne. In Phasen, in denen man tiefer verteidigte, formierte sich der Club zu einem 4-4-2. Castrop rückte neben Flick, Okunuki und Goller deckten die Breite ab.

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Häufige Szene beim Herthaner Spielaufbau. Der Club hatte einen guten Zugriff, wenngleich der Berliner Spielaufbau auch viele Mängel mit sich brachte.

So kam die Hertha besser ins Spiel

Die Berliner Tore deuteten sich zwar zu keinem Zeitpunkt wirklich. Aber dennoch agierte die Hertha zumindest phasenweise in 2. Durchgang deutlich verbessert im Vergleich zu den ersten 45 Minuten. Das hatte auch mit den Ein- und Auwechslungen zutun. Barkok bewegte sich viel im Zentrum und belief oft freie Räume. Zeefuik ließ sich situativ zwischen die beiden Innenverteidiger fallen und war obendrein deutlich zweikampfstärker als die Berliner 6er aus Halbzeit 1. Als Paradebeispiel für die deutlich höhere Intensität ist Niederlechner anzuführen, der rund um Tabakovic viel arbeitete. Die Hertha positionierte sich insgesamt extrem offensiv nach der Pause und gewann auch deutlich mehr zweite Bälle. Der psychologische Aspekt auf Nürnberger Seite darf natürlich nicht außer Acht gelassen werden. Denn bis zum 2:3 war trotz der Berliner Umstellungen der Club klar tonangebend.

Nürnberger Unaufmerksamkeiten: alle Gegentore vermeidbar

Besonders bitter war der Berliner Anschlusstreffer kurz vor der Halbzeit. Gerade weil der Club bis dato die Hertha-Offensive um Top-Scorer Fabian Reese gut im Griff hatte. Nach einem Ballverlust von Uzun nahm Castrop einen Reese-Lauf nicht auf, weshalb dessen Flanke unbedrängt geschlagen und Winkler zum 2:1 in der 44. Minute finden konnte. Schon in den wenigen Minute zwischen Anschluss und Halbzeit wirkte der FCN unbeeindruckt, was sich kurz nach der Halbzeit in Form des 3:1 bestätigte. Was wenig später folgte, war zum einen die große Qualität der Hertha in der Offensive. Zum anderen machte sich die Unerfahrenheit des FCN bemerkbar. Denn innerhalb von zwei Minuten ließ sich die jüngste Nürnberger Startelf seit fast 10 Jahren das Spiel aus den Händen reißen. Bei beiden Berliner Toren war die linke Abwehrseite des Clubs entscheidend. Beim 3:2 riss der wie so oft mutig nach vorne verteidigende Brown eine Lücke, die er nicht mehr rechtzeitig schließen konnte. Zudem blieb Okunuki – analog dazu Castrop beim 2:1 – stehen, wodurch Kenny ohne Druck auf Tabakovic flanken konnte. Ähnliches ereignete sich beim 3:3-Ausgleichtreffer, als die Berliner einen Rebound im Zentrum auf den Flügel Richtung Kenny spielten, dessen Lauf Okunuki ebenfalls nicht aufnahm. Dass Brown folglich elfmeterwürdig im Zweikampf zu spät kam, machte die Nürnberger Unglücksminuten perfekt. Zwar bekam der 1. FC Nürnberg über weitere Strecken der Partie das Zentrum geschlossen, zeigte sich aber immer wieder anfällig nach schnellen Flügelangriffen der Gastgeber.

FCN-Tore: Kombinationsfußball & uzun’sches Riesenslalom

Auf der anderen Seite zeigte Nürnberg vor allem bei den Toren wieder Elemente, die sie in der starke Phasen der Hinrunde auszeichneten: mit Mut zum Risiko und schnellem Kurzpassspiel durchs Zentrum kombinieren. Beim 1:0 steckte der überragende Gyamerah in zentraler Position gegen vier Herthaner auf Castrop in den Halbraum durch. Dieser bediente mit einem Beinschuss Uzun, der 20 Meter vor dem Tor aufdrehen und mit etwas Glück vollstrecken konnte. Das 2:0 resultierte aus einer der vielen Tempogegenstöße der Nürnberger. Gleich dreimal konnten die Berliner nicht entscheidend klären, weshalb letztendlich Schleimer der Ball frei vor dem Keeper vor die Füße fiel. Beim 3:0 ist nicht nur die Klasse von Uzun, der die halbe Hertha-Abwehr stehen ließ und vollendete. Dazu gehörte auch das starke Nachsetzen von Schleimer, der wie so oft in dieser Partie Bälle behauptete und somit erst den uzun’schen Riesenslalom im Olympiastadion zu Berlin ermöglichte.

Die CLUBFOKUS-Spielernoten zum 3:3-Auswärtspunkt des 1. FC Nürnberg bei Hertha BSC.

FCN-Unentschieden in Berlin: enttäuschend, aber vielversprechend

Letztendlich war dieser Samstagabend eine herbe Enttäuschung für den 1. FC Nürnberg. Nicht etwa, weil der Club eine schlechte Leistung zeigt. Nicht etwa, weil man einen Punkt aus Berlin mitnimmt. Sondern vielmehr, weil man sich für einen starken Auswärtsauftritt nicht belohnt. Nichtsdestotrotz lässt sich auf dieser Leistung aufbauen. Vor allem, da man auch in den Schlussminuten wieder das aktivere Team war und auf den Auswärtssieg drängte. Gleichzeitig stellt sich die Frage: wieso nicht öfter so mutig?

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