Alles wie immer?
Der 1. FC Nürnberg startete in die Auswärtspartie beim Bundesligaabsteiger aus Darmstadt mit wenigen personellen Überraschungen. Julian Justvan feierte sein Debüt und wurde zunächst als halbrechter Offensivspieler eingesetzt. Im Vergleich zum Pokalspiel in Saarbrücken rückten zudem Reichert, Soares, Castrop und Lubach in die Startelf. Auch das Spiel begann wenig überraschend. Die Darmstädter pressten aus einer ähnlichen Struktur wie zuletzt Schalke, der FCN fand dagegen ähnlich wenig Lösungen. Schon früh in der Partie sah man den ersten langen Ball Reicherts in Richtung der offensiven Cluberer Dreierreihe, die in den gesamten 90 Minuten aber nur ein Kopfballduell für sich entscheiden konnte. Darmstadt ließ mitunter den Ball auf Flick zu, der jedoch als sofortiger Pressingauslöser für den SVD-Zehner Corredor diente. Dementsprechend blieb vieles Stückwerk bei der Klose-Elf, die in keinen Spielfluss kam.
Flick in der Fünferkette, wenig Zugriff
Im Spiel gegen den Ball setzte der 1. FC Nürnberg über weite Phasen auf ein 5-1-2-2. Florian Flick ließ sich häufig zwischen die beiden Innenverteidiger Jeltsch und Knoche fallen – vermutlich um den gegnerischen Dreierangriff besser kontrollieren zu können. Davor verteidigte Jens Castrop im Zentrum sowie Lubach und Justvan auf den Halbpositionen. Zugriff im hohen Anlaufen bekam der Club zunächst aber nicht. Die Lilien, die den Spielaufbau (zumeist im 3-4-3) relativ variabel gestalteten, fanden häufig den freien Mann und der Club kam in den meisten Situationen den bekannten Schritt zu spät. Die Schienenspieler Bader und vor allem Nürnberger klebten aber nicht nur an der Linie, sondern zogen und dribbelten situativ diagonal nach innen, um die Spielfeldmitte zu überladen. Trotz der Fünferkette hatte der Club häufig Probleme mit dem umtriebigen Corredor, der häufig auf den Flügel auswich, um diesen situativ zu überladen. Wie in den letzten Wochen auch, konnte man diese Situationen in und um die eigene Box oftmals gut wegverteidigen, weshalb die Lilien trotz Überlegenheit nicht sonderlich viele Hochkaräter vorzuweisen hatten.
Darmstadt mit dem Rücken zum Tor klar überlegen
Die Entstehung des Darmstädter Führungstreffers war vieles, aber kein Zufall. Der Club versucht, etwas höher zu pressen, offenbart dabei aber unter anderem viele Abstände zwischen den Ketten. Pick lässt Riedel andribbeln, der spielt einen flachen Vertikalpass durch das Zentrum. Lakenmacher ist vor Flick am Ball, bringt seinen Körper dazwischen und steckt ihn mit dem ersten Kontakt durch. Lidberg entläuft Knoche und schiebt vor Reichert zum 1:0 an. Zweifelsfrei stark gespielt, aber auch schlecht verteidigt. Mit Lakenmachers Physis hatte man häufig Probleme. Der bullige Zielspieler machte die Bälle fest. Entweder, um den Ball auf die anderen beiden Offensivspieler zu verlängern, die aus der Tiefe kamen. Oder, um ihn auf die nachrückenden Mittelfeldspieler abzulegen.
Zu viele technische Fehler & Castrop vergibt
In vielen Situationen offenbarte der FCN zu viele technische Mängel. Einfache Fehler und Probleme über kurze Passdistanzen ließen viele Ansätze schon im Keim ersticken. Zwar war Darmstadt durch deren Mannorientierungen auch immer nah an der Klose-Elf dran, oftmals hätte man diese aber mit einem besseren ersten Kontakt knacken können. Die Passquoten von Castrop (42%) und Lubach (64%) dienen als gutes Beispiel. Apropos Castrop, der später als Rechtsverteidiger gut agierte: er hatte die beiden besten Nürnberger Gelegenheiten im 1. Durchgang. Nach einem guten Lauf in die Tiefe wurde er von Justvan bedient, scheiterte aber an Torhüter Schuhen. Kurz darauf legte Schleimer nach einem Ball auf den zweiten Pfosten zurück auf Castrop. Erneut parierte Schuhen.
Darmstadt kommt besser aus der Pause
Obwohl Miroslav Klose personell auf den 1. Durchgang reagierte, war zunächst wenig Besserung erkennbar. Eine der wenigen Ballbesitzphasen in der gegnerischen Hälfte endete kurz nach dem Wiederanpfiff fast mit dem 2:0. Justvans Steckpass auf Schleimer kam nicht an, Darmstadt eroberte den zweiten Ball und suchte im Anschluss unmittelbar die Tiefe in Richtung Lidberg, der nur knapp vergab. Durch die in der Breite aufgerückten Außenverteidiger sowie den etwas höher positionierten Flick waren lediglich Knoche und Jeltsch als Absicherung vorhanden. Daraufhin übernahm Darmstadt wieder vermehrt die Kontrolle und verlagerte das Spiel in die Nürnberger Hälfte, die mit den Ausweichbewegungen der gegnerischen Stürmer weiterhin Probleme hatten.
Wirkungstreffer in Darmstädter Überlegenheit
Gerade als das zweite Tor für Darmstadt nur eine Frage der Zeit schien, schlug der FCN eiskalt zurück. Eine sehenswerte Kombination – stark eingeleitet von Jeltsch und vorbereitet von Justvan – vollendete der eingewechselte Sevcik umso sehenswerter zum schmeichelhaften Ausgleich. Wenige Momente danach hatte man das Gefühl, der Club könne diesen Wirkungstreffer für sich nutzen und das Spiel nun komplett auf seine Seite ziehen. Insbesondere, weil mit Justvan, Sevcik, Okunuki, Schleimer und Tzimas viel offensivdenkendes Personal auf dem Feld stand. Doch dieser nur wenige Minuten anhaltende Eindruck täuschte. Kurz daraufhin kehrte man in den Verwaltungsmodus zurück und überließ wieder den Lilien den Ball. Die Einwechslung Karafiats für Justvan bekräftigte dieses Vorhaben.
Solides Verteidigen des Ergebnisses
Immerhin: ab dem Ausgleichstreffer in der 61. Minute ließ der FCN nur noch 2 der insgesamt 18 Abschlüsse des SVD zu. Wie schon in der Schlussphase gegen Schalke bewies man, dass man ein fürs eigene Empfinden zufriedenstellendes Ergebnis relativ unfallfrei über Zeit bringen kann. Andererseits lag jedoch das Offensivspiel brach. Sinnbildlich dafür war der Auftritt von Okunuki. Der Japaner kam zur Pause und wurde nach 2 Ballaktionen und einem gespielten Pass kurz vor Spielende wieder ausgewechselt.
Ergebnistechnisch ordentlicher Saisonstart
Es bleibt auch nach dem vierten Pflichtspiel dabei: der 1. FC Nürnberg lässt weiterhin auf den ersten überzeugenden Auftritt warten. Eine klare Spielidee, vor allem was den Spielaufbau betrifft, ist bislang noch nicht zu erkennen. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass der Saisonstart rein ergebnistechnisch völlig okay ist. Heimsieg gegen Schalke, Weiterkommen in Saarbrücken und ein Punktgewinn in Darmstadt sind nach der Auftaktniederlage in Karlsruhe eine ordentliche Ausbeute. Nichtsdestotrotz lassen sich die spielerischen Mängel nicht wegdiskutieren, die aktuell noch durch die zweifelsohne vorhandene individuelle Qualität des Kaders zumindest punktetechnisch nicht ins Gewicht fallen. Apropos Qualität: diese bewies Torhüter Reichert eindrucksvoll, indem er gleich 6 Torversuche der Darmstädter eindrucksvoll entschärfte und zum Man of the Match des FCN avancierte.