Souveräner Herbstmeister
Die FCN-Frauen belegen zur Winterpause souverän den Platz an der Sonne der 2. Bundesliga. Nach 13 absolvierten Partien stehen starke 32 Zähler auf der Habenseite. Sportlicher Leiter Osman Cankaya blickt ebenfalls auf eine gelungene Hinrunde zurück und ist vor allem von der schnellen Entwicklung beeindruckt: „Ich bin gar nicht so leicht zufriedenzustellen, weil ich immer eine gewisse Unruhe in mir habe. Man muss immer einen „Lowpoint“ einkalkulieren. Diesen hatten wir bereits zu Saisonbeginn (nur 4 Punkte aus 3 Spielen, Anmerkung d. Red.). Danach hat mich das schnelle Lernen der Mannschaft sowie die Entwicklung der Spielerinnen sehr beeindruckt. Deshalb bin ich mit der sportlichen Entwicklung bisher definitiv zufrieden, wenngleich es natürlich immer Verbesserungspotenzial gibt.“
Benchmark in jeglicher Hinsicht
Der 1. FC Nürnberg führt nicht nur souverän die Tabelle an, sondern dominiert sie regelrecht. Dies beweist ein Blick auf die Daten. Egal, ob das Torschussverhältnis, Chancenqualität, Ballbesitz, Strafraumaktionen, Pressingparameter und mehr – der FCN führt nahezu jede wichtige Statisitk an. Cankaya erklärt, dass es durchaus auch ein Ziel sei, in möglichst vielen Parametern weit vorne dabei zu sein: „Wir sind sehr anpassungsfähig. Auch der lange Ball ist bei uns nicht verboten, wenn der Gegner uns die Tiefe anbietet. Steht er hingegen tief, können wir ihn mit Flanken knacken. Deshalb sind auch unsere Werte so ausgeglichen.“ Die Zahlen bestätigen die Aussagen des 35-Jährigen. Denn der Tabellenführer spielt die präzisesten langen Bälle und verzeichnet die zweithöchste Präzision bei Flanken.
Datenbasiertes Scouting
Da auch viele FCN-Spielerinnen mit ihren Daten die Liga dominieren, ist es naheliegend, dass Zahlen bereits beim Scouting eine sehr zentrale Rolle spielen. Dies bestätigt der sportliche Leiter, der seit 2014 in verschiedenen Funktionen für die Clubfrauen tätig ist: „Daten sind für uns im Scouting ein elementarer Faktor. Wir setzen da klare Leitplanken und scouten ausschließlich für ein System. Wir können im Spiel sicherlich immer mal wieder flexibel agieren, aber die Grundidee mit der Dreierkette bleibt gleich. Da sich der Fußball aktuell sehr schnell weiterentwickelt, passen wir unsere Parameter immer wieder an, um auf dem aktuellen Stand zu sein.“
Trainer Oostendorp: Wichtiger Faktor
Ein wichtiges Puzzlestück für den Erfolg ist auch Trainer Thomas Oostendorp, der die Mannschaft seit der vorherigen Saison betreut. Cankaya ist voll des Lobes für den 31-jährigen Niederländer: „Er schafft es, das Maximum aus dem Talent rauszuholen und in Qualität umzuwandeln. Damit führt er das weiter, was er bereits bei der niederländischen U21 gemacht hat. Die Mischung aus etwas oldschool sowie gleichzeitig jung und hip zu sein, ist super bei ihm. Im Spiel hat er immer einen Exit-Plan parat, das tut uns sehr gut.“
Sehr junge Mannschaft
Ähnlich wie bei den Herren, sind auch die FCN-Frauen extrem jung. Nach den zweiten Mannschaften stellt man mit durchschnittlich 21,4 Jahren den jüngsten Kader der Liga. Ganze 10 Spielerinnen, die maximal 21 Jahre alt sind, absolvierten mindestens 10 Partien in der Hinrunde. Das ist kein Zufall, sondern ein klares Konzept, das Cankayas Truppe verfolgt: „Wir wollen den Spielerinnen, die vielleicht auf falschen Positionen eingesetzt wurden oder etwas unter dem Radar flogen, die Möglichkeit geben, ihr Potenzial auszuschöpfen. Das frühzeitige Finden von jungen Talenten ist ein großer Faktor dabei. Wir wollen sie weiterentwickeln und irgendwann auch von ihnen profitieren.“
Stabile und ballsichere Defensive
Dass Torhüterin Hannah Etzold mit 95% Passquote die beste der Liga aufweist, unterstreicht, dass der FCN im Spielaufbau immer wieder Lösungen findet. Mit 7 Gegentreffern zeigte sie sich auch auf der Linie als sicherer Rückhalt. Beeindruckend ist zudem die 21-jährige Abwehrchefin Amélie Thöle, die sich als Fels in der Brandung präsentiert. Die zweitbeste Quote im Defensivzweikampf sowie die meisten gespielten Pässe und die höchste Passquote aller Feldspielerinnen belegen ihre Qualität. Neben ihr als Halbverteidigerinnen agieren Klara Svensson Senelius und Madeleine Steck. Beide sind für das Offensivspiel sehr wichtig, indem sie viele linienbrechende Bälle spielen und befinden sich unter den Top-3 der Liga bezüglich raumgewinnender Pässe. Vor allem die junge Schwedin Svensson, die vor der Saison verpflichtet wurde, konnte sich sehr schnell an das neue Umfeld gewöhnen und gilt als sehr moderne Innenverteidigerin.
Ausbalanciertes Mittelfeld
In der Mittelfeldreihe nimmt Spielführerin Luisa Guttenberger eine wichtige Rolle ein. Die 26-Jährige besticht durch ihre Spielintelligenz, kann zudem das Spiel kontrollieren und führt obendrein die Mannschaft. Neben ihr läuft in der Regel Jonna Brengel im Mittelfeldzentrum auf und übernimmt den offensiveren Part. Brengel gilt als sehr fleißige Spielerin, die zudem immer in der Lage ist, mit klugen Pässen Chancen zu kreieren. Die 20-Jährige kam vor der Saison aus Frankfurt, wo sie häufig auch als Flügelspielerin auflief. Dank einem guten Scouting erkannte man mehr Potenzial bei ihr im Zentrum, was sich nun bewahrheitet. Als rechte Schienenspielerin nimmt die Schweizerin Lara Meroni eine essenziell wichtige Rolle ein – vor allem für das Offensivspiel. Viel Tempo, präzise Hereingaben und die meisten Dribblings der Liga zeichnen die 21-Jährige aus.
Viel Torgefahr
Im Ballbesitz schafft man es, die eigenen Offensivspielerinnen immer wieder in gefährliche Torraumsituationen zu bringen. In vorderster Front läuft häufig Medina Desic auf, die viel Qualität im Torabschluss mitbringt. Egal, ob mit links, rechts oder per Kopf – die 31-Jährige präsentiert sich treffsicher und konnte bereits 8-mal knipsen. Mit über 6 Ballaktionen im gegnerischen Strafraum pro 90 Minuten verzeichnet sie zudem die meisten der Liga. Dahinter folgt Kollegin Nastassja Lein, die gerne von halblinks kommt, bereits 7 Treffer erzielen konnte und Top-Scorerin (13) der Liga ist. Lein beeindruckt mit ihrem Tempo und mit ihren Tiefenläufen. Ein ähnliches Spielerprofil würde der Oostendorp-Elf auch rechts vorne noch gut zu Gesicht stehen. In der Hinterhand verfügt man mit der 17-jährigen Norwegerin Anny Kerim-Hindland über ein großes Talent. Nach ihrem Wechsel benötigte sie etwas Anlaufzeit, um sich an den Fußball und die Sprache zu gewöhnen. Im letzten Spiel gegen Bayern konnte sie erstmals treffen und bereitete zudem ein Tor vor. Die Juniorennationalspielerin gilt als sehr schnelle und dennoch bullige Stürmerin, deren Profil Cankaya als durchaus ähnlich zu dem von Stefanos Tzimas beschreibt.
Hohe Dominanz
Egal, wie man es wendet und dreht. Die FCN-Frauen dominieren die Liga. Ein weiteres Beispiel dafür ist das letzte Spiel gegen die Zweitvertretung der Bayern. Diese hatten zuvor in jedem Spiel mehr Spielanteile – bis sie gegen Nürnberg spielten und in jeglicher Hinsicht (0:4, 42% Ballbesitz) hoffnungslos unterlegen waren. Gegen das sehr aggressive Pressing, bei welchem man auch gerne auf Mannorientierungen zurückgreift, schaffen es die Gegner bislang kaum, sich zu befreien.
Bereit für die Bundesliga?
Da die ersten 3 der Tabelle aufsteigen, stehen die Chancen hoch, dass der Club in der nächsten Saison wieder erstklassig spielt. Potenzielle Schwächen bestehen noch in der Balance und hinter den sehr weit aufgerückten Schienenspielerinnen, die beispielsweise Sand zu wissen nutzte. Zwar gewann man dort mit 2:4, kassierte aber nur hier mehr als einen Gegentreffer. Um dem entgegenzuwirken, verpflichtete man nun mit Julia Pollak einen defensivstarken Wingback für die linke Seite aus Leipzig. Für einen potenziellen Aufstieg sieht der sportliche Leiter Osman Cankaya die Mannschaft gut gerüstet: „Im Fall der Fälle wären wir besser vorbereitet, da wir schon ein Jahr Erstligaerfahrung haben und wissen, auf was es ankommt.“ Angesichts der starken Leistungen und einem sehr tollen Scouting stehen die Vorzeichen auf eine erfolgreiche Zukunft der FCN-Frauen in jedem Fall mehr als positiv.
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