Böse Zungen könnten nach der Nürnberger Leistung am Freitagabend in Hannover behaupten, die Mannschaft solidarisierte sich mit den Ultras und boykottierte ebenfalls das Spiel. Wer vor dem Spiel eine frei aufspielende Gästemannschaft erwartete, sah sich schnell getäuscht. Stattdessen waren es die Hannoveraner, die trotz zuvor 6 sieglosen Partien von Beginn an die Partie dominierten.
Guter Ansatz im Keim erstickt
Nach nicht einmal 2 Minuten zeigte der Club, wie es in der Theorie hätte funktionieren können. Nach einem Ballverlust von Hannovers „6er“ Fabian Kunze eroberte Flick den Ball. Den durch Kunzes Aufrücken verwaisten Raum vor der extrem hoch aufgerückten Hannoveraner Restverteidigung bespielte Nürnberg und fand am Ende Benjamin Goller auf der rechten Seite, der den ersten Abschluss der Partie abgab. Es sollte aber für lange Zeit die letzte positive FCN-Aktion bleiben. Nur wenige Zeigerumdrehungen später ging die Leitl-Elf in Führung. Vorausgegangen waren zwei absolut sinnbildliche Probleme im Nürnberger Spiel. Zum einen konnte sich Enrico Valentini gegen Derrick Köhn nur mit einem Foul helfen. Zum anderen verteidigte der Club eine Standardsituation absolut ungenügend.
Deshalb ging Fiéls Plan nicht auf
Der Plan im Spiel gegen den Ball sah wohl eine Art Spiegeln des Gegners vor. Valentini schob weit nach innen, Brown nach vorne und Goller positionierte sich in etwa auf dessen Höhe. In der Folge ergab sich zumindest in vielen Sequenzen eine Art 3-4-1-2 gegen den Ball. Zugriff erhielt man aber zu keiner Sekunde. Zum einen, weil die Abstände zwischen Abwehr und Mittelfeld zu groß waren und die Innenverteidigung nicht konsequent nach vorne verteidigte. Das erkannte vor allem Hannovers Nielsen und ließ sich regelmäßig in den Zwischenraum fallen.
Zum anderen, weil Hannover den rechten Halbraum mit Leopold, Ernst und Nielsen überlud und der Club hier keinen Zugriff bekam. Ein weiteres Problem war, dass man die gegnerischen Außenverteidiger Muroya und Köhn nie in den Griff bekam. Nach Verlagerungen belief Köhn geschickt den Rücken von Goller und da Valentini im Zentrum gebunden war, kam er häufig frei am Flügel an den Ball. Von dort aus brachte sowohl er als auch sein Pendant Muroya viele Bälle in den Rückraum, in welchem der Club aufgrund einer schlechten Strafraumverteidigung häufig unterbesetzt war.
Nürnberger Intensität und Zweikampfführung am Pranger
Zwar sind die oben genannten Punkte auch taktische Dinge, aber es hängt natürlich auch viel davon ab, mit welcher Intensität und Bereitschaft verteidigt wird. Auch das Thema Zweikampfführung fällt hier mit rein. Alles Themen, die am Freitag in Hannover nicht existent waren. Auch die Zahlen und Fakten zum Spiel belegen dies eindeutig. Fairerweise muss aber auch erwähnt werden, dass der Gegner seine wohl stärkste Saisonleistung gegen den Glubb bot.
Mangelnde Pressingresistenz und Ruhe am Ball
Die sonst häufig erfrischende Spielweise des Clubs mit Ball kam über weite Strecken nicht zum Einsatz. Vor allem im 1. Durchgang fand man keine Lösungen gegen das Hannoveraner Gegenpressing und verlor den Ball regelmäßig gegen selbiges. Die Niedersachsen verdichteten konsequent die Ballseite, von welcher sich Nürnberg nicht befreien konnte. Hätte man den Ball verlagern können, hätte man durchaus viele freie Räume hinter dem aufgerückten Mittelfeldzentrum und den offensiven Außenverteidigern finden können. Über den Konjunktiv kam man aber nicht hinaus.
Parallelen zum Hinspiel gegen Hannover
Exakt wie im Hinspiel wechselte Nürnberg-Coach Cristian Fiél in der Pause 4-mal. Valentini, Castrop, Goller und Okunuki mussten draußen bleiben. Es hätte es aber auch nahezu jeden anderen treffen können. Damit einherging eine Veränderung in der Nürnberger Struktur. Mit Ball baute man anders als in der ersten Halbzeit konsequent über beide Innenverteidiger auf, Gyamerah schob – anders als Valentini – in den rechten Halbraum und gab hier mitunter sogar ein Wechselspiel mit Johannes Geis ab. Gegen den Ball formierte man sich im 4-2-3-1, bei dem Flick und Geis die Doppel-6 bildeten.
Auch Hannover änderte etwas zur Halbzeit. Man versetzte die erste Pressinglinie um einige Meter nach hinten, wodurch der Club zu mehreren ruhigen Ballbesitzphasen kam. Torgefahr konnte man nur selten erzeugen, aber konnte das Spiel in der ersten Hälfte der zweiten Halbzeit ausgeglichen gestalten. Und wer weiß, was passiert wäre, wenn nach etwa einer Stunde der Linksschuss von Can Uzun ins Tor gegangen wäre. Nach dem besten Glubberer Angriff traf Uzun nach Doppelpass mit Andersson aber nur den Pfosten.
Nur wenige Minuten später lief das Spiel aber wieder in die Richtung des 1. Durchgangs – in Richtung Nürnberger Tor. 96 erhöhte die Aktivität und knüpfte wieder mehr an das Spiel aus den ersten 45 Minuten an. Erst vergab Nielsen freistehend vor dem Tor, dann scheiterte Leopold am Pfosten. Ein weiteres Mal verhinderte die Latte den Einschlag. In der Nachspielzeit war es Cedric Teuchert, der zum 3:0 Endstand einschoss. Ausgerechnet Cedric Teuchert. Ex-Cluberer und damit typisch für den gebrauchten Freitagabend.
Kollektive Nicht-Leistung
Dass am Ende das Aluminium eine höhere Niederlage verhinderte, spricht Bände. Tatsächlich konnte nicht ein Nürnberger Spieler an die Leistung der Vorwoche anknüpfen. Can Uzun ließ zwar seine Extraklasse im letzten Drittel aufblitzen, zeigte aber auch, dass er in den ersten zwei Dritteln des Spielfeldes noch Luft nach oben hat. Auch Jens Castrop kam nicht in seine gefürchteten Balleroberungen und gewann lediglich 27% seiner Zweikämpfe. Nebenmann Flick konnte nicht für die erhoffte Stabilität vor der Abwehr sorgen. In der Abwehr enttäuschte auch der gegen Hansa Rostock so souveräne Marquez. Letztendlich gibt es keinen Nürnberger, der positiv auf sich aufmerksam machte. Am ehesten noch Klaus, der am Ende immerhin 8 der 11 Schüsse auf sein Tor parieren konnte. Zum Vergleich: der Club gab 1 Schuss auf das Tor von Ron-Robert Zieler ab.
Auf der Suche nach der Wahrheit: Rostock oder Hannover?
Nach dem souveränen Erfolg gegen die Kogge in der Vorwoche herrscht nun Ernüchterung im Frankenland. Die Niederlage ist dabei nicht das Problem, es ist viel mehr die Art und Weise. Schaffte man es in der Vorwoche noch nahezu perfekt, das Zentrum zu schließen, wurde man von der Leitl-Elf diesmal regelrecht überrannt. 5 der letzten 7 Pflichtspiele gingen verloren. Darunter neben Hannover weitere enttäuschende Spiele wie Karlsruhe, Düsseldorf und Kaiserslautern. Nichtsdestotrotz steht man gleichzeitig mit 27 Punkten nach wie vor gut dar. Um den nächsten Schritt zu gehen, muss man aber – vor allem auswärts – solche Leistungen minimieren. Mit Osnabrück und Wehen warten nun 2 Gegner, gegen welche man zurück in die Erfolgsspur finden sollte, um den bis dato sehr positiven Tenor aufrecht zu halten. Der CLUBFOKUS freut sich trotz der Schlappe in Hannover auf die Partien.
Abonniere den Kanal CLUBFOKUS auf WhatsApp und verpasse keinen Beitrag mehr!