St. Pauli-Spiel verdeutlicht: große Offensiv-Probleme beim FCN
Wie im Heimspiel gegen den FC St. Pauli deutlich wurde, hat der 1. FC Nürnberg insbesondere in der Rückrunde große Probleme, Torgefahr zu entwickeln. Lediglich zwei magere Abschlüsse brachte die Mannschaft von Trainer Cristian Fiél zustande – Saisontiefstwert. Doch diese offensive Harmlosigkeit ist bei weitem kein Einzelfall. Bereits 7-mal blieb der Club in dieser Saison unter 8 Schüssen in einer Partie – 4-mal davon in den letzten 5 Spielen! Folglich ist es nicht überraschend, dass das ungefährlichste Rückrundenteam in der 2. Bundesliga aus Nürnberg kommt. Zwar erzielten noch 5 Teams weniger als die 11 Tore des FCN. Jedoch erzeugte kein Team seit Jahresbeginn weniger Torgefahr, was die Qualität und Quantität der Abschlüsse (Expected Goals) anbelangt.
Ohne Can Uzuns starke Chancenverwertung sähe die Torausbeute wohl noch düsterer aus. Schließlich erzielte der türkische Nationalspieler 7 der 11 Rückrundentore seiner Farben – 3 davon sogar von außerhalb des Strafraums.
Mit Ausnahme des letzten Spieles liefert ein etwaige hohe Gegnerqualität keine Erklärung für die Nürnberger Offensivarmut. Schließlich stehen 6 der 9 bisherigen Rückrundengegner in der Tabelle hinter dem FCN. Ein Vergleich zu den ersten 9 Zweitligaspielen der Saison zeigt, dass man sich gegen die gleichen Gegner in der Hinrunde noch deutlich offensivstärker präsentierte.
FCN: weniger Ballbesitz, weniger Angriffe
Dies beginnt bei der grundsätzlichen Herangehensweise, die inzwischen deutlich konservativer ist. Die Abwehrkette des FCN steht im Vergleich zum gleichen Zeitpunkt in der Hinrunde durchschnittlich rund 6 Meter tiefer, was wiederum eine Minderung des Ballbesitzes von 6% zur Folge hat. Wer weniger den Ball hat, kann naturgemäß weniger Angriffe spielen. Die Zahl der Angriffe aus dem Positionsspiel sank von 24 auf leidglich 17 pro Spiel. Der subjektive Eindruck, der Club würde dem Gegner zuletzt immer mehr das Spiel überlassen, wird durch diese Daten eindeutig bestätigt.
Kaum gefährliche Nürnberger Abschlüsse
Da half es stand jetzt auch nur bedingt, mit Sebastian Andersson einen echten Stoßstürmer im Winter verpflichtet [Analyse hier] zu haben. Dass er noch keinen einzigen Abschluss per Fuß nehmen konnte, verdeutlicht die Probleme, gefährlich in den Strafraum zu kommen. Beziehungsweise überhaupt in den Strafraum zu kommen. Waren es an den ersten 9 Spieltagen noch 17 Ballaktionen pro Spiel im gegnerischen Sechzehner, so sind es in den letzten 9 Spielen nur noch 13. In letzter Konsequenz kommt der Club nun zu 4 Abschlüssen weniger pro Spiel. Ohnehin verzeichnet über die gesamte Saison hinweg nur der Tabellenletzte VfL Osnabrück minimal weniger Schüsse pro 90 Minuten (9.9) als der 1. FC Nürnberg (10).
Passivität, Formkrisen & wenig Wechsel als Gründe?
Die Gründe für diesen offensiven Leistungsabfall sind vielschichtig. Eine zurückhaltendere Herangehensweise aufgrund der fehlenden Pressingspieler ist durchaus nachvollziehbar. Doch der durch Kompaktheit erhoffte defensive Nutzen ist zu klein, um die Schwächen im Angriff auszugleichen. Zwei Spielen ohne Gegentore stehen 6 Spiele mit maximal einem selbst erzielten Tor in der Rückrunde gegenüber, weshalb die Rechnung nicht aufgeht. Dazu kommen offensive Flügelspieler, die aktuell völlig außer Form sind. Mit Wekesser, der seine Aufgabe grundsätzlich nicht schlecht macht, steht in letzter Zeit zudem ein zusätzlicher gelernter Defensivspieler auf dem Feld.
Mehr Mut von Fiél nötig?
Cristian Fiél muss sich die Frage stellen, ob seiner Mannschaft eine etwas offensivere Herangehensweise nicht besser liegen würde. Bekannt als Fan des dominanten Gaurdiola-Fußballs bereitet auch ihm die aktuelle Spielweise sicherlich keine Freude. Ein wenig Mut zum Risiko würde sicherlich helfen. Auch was die Auswahl der Startformation anbelangt, die bei Fiél in der Regel wenig Überraschungen beinhaltet. Beispielsweise die Spritzigkeit eines Joseph Hungbos, die er in seinen Kurzeinsätzen immer wieder andeutete, könnte dem Club-Angriff Frische verleihen.
Wichtig für FCN: positive Stimmung für neue Saison
Auch wenn der Datenvergleich eine starke Rückentwicklung feststellt, ist längst nicht alles schlecht beim 1. FC Nürnberg. Im Vergleich zum Vorjahr steht man immerhin 7 Punkte besser da und hat dadurch wohl nichts mehr mit Ab- oder Aufstiegskampf zu tun. Nichtsdestotrotz sollte die Restrunde dafür genutzt werden, eine positive Stimmung für die neue Saison zu entfachen. Trotz des schwersten Restprogramms der Liga kann man frohen Mutes in die nächsten Wochen gehen. Schließlich gewann man in der Hinrunde gegen die kommenden Gegner Hertha, Kiel, Schalke und Paderborn drei Spiele, was die bis dato stärkste Phase der Saison war.