Ausgeglichen, aber stets unterlegen
Viel bitterer hätte der Saisonstart für den 1. FC Nürnberg nicht laufen können. Trotz einer 2:0-Führung musste man sich am Ende dem KSC mit 3:2 geschlagen geben. Miroslav Klose sprach im Nachgang der Partie von einem „ausgeglichenen Spiel, auch was die Zahlen angeht“. Als Beispiele führte der neue FCN-Trainer Ballbesitz, Zweikämpfe, Sprints und Laufbereitschaft an. Der Blick auf die nackten Zahlen (via Wyscout) verrät: bei all diesen Parametern war der Club seinem Gegner unterlegen. Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass es sich nur um Nuancen handelte. In Puncto Ballbesitz lag man mit 47% fast gleichauf. Auch bei der Laufdistanz (400 Meter Differenz) sowie den absolvierten Sprints (Differenz von 7) war man nur knapp hinter dem KSC, was Kloses Aussage bzgl. ausgeglichener Zahlen stützt. Lediglich bei den gewonnenen Zweikämpfen waren die Karlsruher mit einer fast 6% besseren Quote etwas weiter vorn. Doch wie so oft sind solche Statistiken im Fußball mit Vorsicht zu genießen und in den richtigen Zusammenhang zu bringen.
Trotz ausgeglichener xG: KSC gefährlicher
Gleiches gilt für die Expected Goals. Auch hier lag der KSC mit 1.8 zu 1.6 nur minimal vor dem FCN. Viel interessanter ist jedoch, wie sich die Qualität der einzelnen Chancen auf die Anzahl der Abschlüsse verteilte. Mit dem Tor von Okunuki, der den Ball nur ins leere Tor schieben musste, ging bereits ein großer Anteil der xG (0.75) auf eine Chance. Laut Statistik war dies nämlich die einzige Großchance der Nürnberger. Die übrigen 12 Abschlüsse hatten eine durchschnittliche Torwahrscheinlichkeit von 7%, was stark unter dem ligaweiten Durchschnittswert von letzter Saison von 13% pro Schuss liegt. Etwas anders sah es beim KSC aus, der demnach zu 4 Großchancen im Spiel kam und somit auch hier dominierte. Apropos Dominanz: zwar war der Ballbesitz relativ ausgeglichen, jedoch war die Qualität des Ballbesitzes deutlich unterschiedlich. Während der FCN daraus 16 Angriffe initiierte, waren es beim KSC mit 32 Ballbesitzangriffen gleich doppelt so viele. In der Folge waren die Gastgeber in weiteren Offensivparametern wie Pässen ins letzte Drittel (54:29) oder Ballaktionen im gegnerischen Strafraum (30:14) deutlich überlegen. Daraus dürfte auch der subjektive Eindruck rühren, dass der KSC über weite Strecken die gefährlichere Mannschaft war.
Zunehmende Passivität statt Aktivität
Ein weiterer Fakt, der dem FCN zu denken geben sollte, ist die im Spielverlauf zunehmende Passivität. Nur 57 geführte Defensiv-Duelle liegt deutlich unter dem Vorjahresschnitt von 66 pro Spiel. Ebenso sind nur 3 hohe Balleroberungen – der tiefste Wert seit Juni 2020 – deutlich zu wenig. Umso mehr, weil Intensität und Aktivität ein großes Thema der Vorbereitung waren. Die fehlende Aktivität übertrug sich auch auf das Spiel mit Ball, als man gegen das Karlsruher Pressing kaum Lösungen fand. In Halbzeit 1 lag die Passquote noch bei starken 89%. In Halbzeit 2 mehrten sich unkontrollierte lange Pässe, wodurch die Ballbesitzphasen kürzer wurden und die Passquote sogar auf 78% sank. Eine Folge daraus war, dass Lukas Schleimer in 10 Luftduelle geschickt wurde – so oft, wie kein einziges Mal in der Vorsaison. Immerhin entschied Schleimer davon starke 50% für sich, wenngleich eine kontrollierte Spielfortsetzung kaum möglich war.
Starkes Umschalten & belebender Tzimas
Eine Statistik, die positiv herausstach und auch beim 1:0-Führungstreffer zu sehen war, war das offensive Umschaltspiel. Tatsächlich gelang es dem Club, all seine 5 Konterangriffe zum Abschluss zu bringen – Bestwert seit über 3 Jahren. Der letzte dieser Abschlüsse gehörte Stefanos Tzimas, der in der 89. Minute mit Ball am Fuß über das halbe Feld marschierte und aus knapp 18-m an KSC-Torhüter Weiß scheiterte. Ohnehin war der junge Grieche ein belebendes Element nach seiner Einwechslung. Obwohl er nur 40 Minuten auf dem Platz stand, gewann er 3 von 5 Dribblings und kam 3-mal zum Abschluss – jeweils Höchstwerte aller Club-Spieler.
Viel Arbeit vor Schalke-Spiel
Miroslav Klose mag sicherlich nicht falsch liegen, wenn er von ausgeglichenen Zahlen an diesem 1. Spieltag spricht. Nichtsdestotrotz ist es auffällig, dass der FCN zwar jeweils knapp, aber dennoch in vielen Parameter dem Karlsruher SC unterlegen war und dementsprechend verdientermaßen das Spiel verlor. Einerseits zeigt es, dass in einigen Punkten „nur“ an Nuancen gearbeitet werden muss. Andererseits gibt es noch viele dieser Nuancen, die es aufzuholen gilt, was angesichts der Umbruches wiederum nicht verwunderlich ist. Insbesondere das Spiel zwischen den Strafräumen muss zum 2. Spieltag gegen Schalke besser werden. Vor allem, weil ein Gegner zu erwarten ist, der nach seinem 5:1-Auftaktsieg mit viel Selbstvertrauen in Nürnberg aufschlagen dürfte. Aber eines sei diesbezüglich schon vorweggenommen: auch eine genauere Analyse des Schalkers Sieges lässt erkennen, dass kein Übergegner auf den FCN wartet. Sollte man die positiven Ansätze aus der Vorbereitung und aus dem KSC-Spiel über längere Phasen konservieren können, so kann die Enttäuschung nach dem Fehlstart vor ausverkauftem Haus schon schnell wieder vergessen gemacht werden.