Geschwächter FCN
Der Samstag begann für den 1. FC Nürnberg denkbar unglücklich. Neben dem verletzten Kapitän Robin Knoche und dem gesperrten Jens Castrop schaffte es auch Stefanos Tzimas nicht rechtzeitig zurück ins Aufgebot. Hinzu kam der kurzfristige Ausfall von Tim Drexler. So musste der FCN gleich auf vier Stammspieler verzichten. Auch der HSV blieb nicht von Ausfällen verschont. Innenverteidiger Dennis Hadzikadunic, Mittelfeldspieler Jonas Meffert und Stürmer Davie Selke fielen für das Spiel im ausverkauften Max-Morlock-Stadion aus.
Zufriedener Klose
„Die ersten 15 Minuten fand ich nicht so schlecht“, blickt FCN-Trainer Miroslav Klose im Nachhinein auf eine aus seiner Sicht ordentliche Anfangsphase. Der Club setzte auf ein 5-4-1 gegen den Ball, wie man es auch schon gegen andere spielstarke Teams wie Magdeburg erfolgreich getan hatte. Man verteidigte zwar eher tief, war aber dennoch nicht passiv. Der ballnahe Mittelfeldspieler aus der Viererreihe schob stets in Richtung des ballführenden Hamburgers, sodass der HSV nicht ohne Druck auf die Nürnberger Abwehr zulaufen konnte.
Selbst verschuldet
Das 0:1 in der achten Minute ist extrem bitter – zumindest in der Finalisierung. Denn in der Entstehung war es nicht gut verteidigt und erinnerte an die Gegentore in Regensburg. Berkay Yilmaz steht wie in der Vorwoche viel zu breit und bietet seinem Gegner dadurch die Innenbahn an, von wo aus Mikelbrencis den Ball in die Box befördert. Am Ende ist Rafael Lubach der Unglücksrabe, der den Schuss von Jean-Luc Dompé ins eigene Tor abfälscht.
Entscheidende Szene
Nach etwa 15 Minuten und dem Platzverweis gegen Janis Antiste änderte sich das Spiel maßgeblich. Auch wenn die Situation viel diskutiert wurde, konnte Klose aufgrund eines „klaren Treffers“ die Rote Karte für den Angreifer akzeptieren. In den Folgeminuten musste der Club viel hinterherlaufen. Es deutete sich bereits an, dass die rechte Nürnberger Defensivseite heute noch einiges über sich ergehen lassen müsse.
Gute Nürnberger Phase
Etwa ab Mitte der ersten Halbzeit war der FCN jedoch – vor allem in Anbetracht der Umstände – sehr gut im Spiel. Unter anderem, da man von der Fünferkette auf ein 4-4-1 umstellte und Ondrej Karafiat neben Caspar Jander ins Mittelfeldzentrum rückte. Trainer Klose erklärte im Nachgang, dass die Umstellung erfolgte, um die Breite besser abdecken zu können – was gegen die Hamburger Überladungen am Flügel, vor allem auf der linken Seite, nachvollziehbar war.
Vor allem schaffte man es in dieser Phase aber auch selbst, erfolgreich Fußball zu spielen und den HSV vor Aufgaben zu stellen. „Mit einem Mann weniger sich da rauszuspielen und die Seite zu verlagern“, war auch der Weltmeister von 2014 sehr einverstanden mit seiner Mannschaft und sprach sogar von „technischer Raffinesse“.
Ausgleich verpasst
Der HSV hatte mit den Nürnberger Positionsrochaden sowie dem Spielen und Gehen am Flügel einige Probleme und kam in dieser Phase nur selten in Pressingmomente. Auch Gästetrainer Merlin Polzin gestand auf der Pressekonferenz, dass ihm dieser Spielabschnitt „weniger gut“ gefiel. Die größte Chance zum Ausgleich verpasste Karafiat nach gut einer halben Stunde.
Klose fehlten dennoch die Läufe in die gegnerische Box, um die Ansätze zu Ende bringen zu können. Auch aus den eigenen Eckbällen machte man zu wenig. Wie es oft in Spielen gegen Topteams und vor allem in Unterzahl ist, wird man für Kleinigkeiten bestraft. So war es auch beim 0:2, das in diese gute Nürnberger Phase fiel.
Binden und Verlagern
Wenn der HSV im Ballbesitz war und in seine Abläufe kam, war es sehr schwer zu verteidigen. „Wir versuchen immer wieder, Überladungen am Flügel herzustellen“, verriet Polzin auf CLUBFOKUS-Nachfrage. An diesen seien immer ein Flügelspieler, ein zentraler Mittelfeldspieler und ein Außenverteidiger beteiligt. Da ein vierter Spieler noch dazukommen soll, unterstützten entweder Stürmer Königsdörffer oder Sechser Poreba.
„Um den Gegner zu binden“, teilte der Coach der Rothosen die Gedanken dahinter. Dadurch war der FCN gezwungen, massiv auf die Ballseite zu schieben – was zum Umkehrschluss hatte, dass auf der ballfernen Seite viel Platz war. Vor allem, wenn man in Unterzahl verteidigt. Folglich verlagerte der HSV das Spiel sehr oft auf die linke Seite zu Dompé, der etliche Male ins 1-gegen-1 mit Tim Janisch geschickt wurde – und diese Duelle aus FCN-Sicht leider sehr häufig gewann.
Vorentscheidung
Dass das 0:2 nach einer Verlagerung fällt, ist somit keine Überraschung, sondern ein bewusstes Stilmittel der Hamburger. Man hätte es aber auch hier besser verteidigen können: Karafiat verlor erst Reis aus den Augen und dann Dompé in seinem Rücken, nachdem dieser an Janisch vorbeizog. Das 0:2 war mehr oder weniger die Vorentscheidung – wenngleich der 1. FC Nürnberg sich vor allem bis zur Pause sehr tapfer und gut wehrte.
Mut wird nicht belohnt
„In der Halbzeit muss man eine Entscheidung treffen“, sagte Klose nach der Partie zu seinen Überlegungen in der Pause. Mit „Mut gehört dazu“ versuchte man, nochmal zurück in die Partie zu kommen. Auch deshalb brachte man relativ früh mit Dustin Forkel und Mahir Emreli zwei Offensivkräfte und erhoffte sich dadurch vor allem in Umschaltsituationen Chancen. Diese blieben jedoch aus.
Keine Entlastung
Der HSV ließ nach der Pause im Grunde genommen nichts mehr zu – sondern erstickte mögliche Nürnberger Konterangriffe frühzeitig im Gegenpressing, sodass man zu keiner Zeit wirklich das Gefühl hatte, dass der Club nochmal in die Partie zurückkommen könnte. Stattdessen hatte man mehrfach Glück – und einen guten Torhüter, der lange Zeit das 0:2 festhielt.
Dass nach einem Eckball Robert Glatzel sich gegen Florian Flick durchsetzt und zum Endstand einköpft, passte perfekt ins Bild der unterschiedlichen Gefühlslagen. „Schon wieder ein Standardtor“, monierte Nürnbergs Zehner Justvan. Wie in Regensburg war es Flick, der ein Kopfballduell vor dem Gegentor verlor. Beim HSV hingegen war es Glatzels erstes Tor nach seinem verletzungsbedingten Ausfall.
Was wäre, wenn?
Es hätte ein schönes Spiel werden können – in Bestbesetzung und vor allem im 11-gegen-11. „Das ist ärgerlich. Ich hätte es auch gerne so gesehen. Weil wir schon das Gefühl hatten, dass wir uns messen können“, zeigte sich auch Klose über die Umstände – und einige Schiedsrichterentscheidungen – enttäuscht. Tatsächlich machte seine Mannschaft über weite Phasen der ersten Halbzeit nicht viel verkehrt, musste sich am Ende aber einem überlegenen Gegner geschlagen geben. Das 0:3 gehe deshalb auch laut Klose „völlig in Ordnung“.