Tempelmanns starke Rückrunde
Lino Tempelmann ist der Garant dafür, dass Eintracht Braunschweig nach dem 2:0-Hinspielsieg gegen den 1. FC Saarbrücken beste Chancen auf den Klassenerhalt in der 2. Bundesliga hat. Und zwar nicht nur, weil er im Relegationsspiel das zwischenzeitliche 1:0 erzielte. Sondern, weil der Mittelfeldspieler eine starke Rückrunde spielte und nach seinem Leihwechsel im Winter von Schalke zu den Löwen in 17 Spielen siebenmal traf und zwei weitere Tore vorbereitete.
Zurück zum FCN?
Wie die BILD nun berichtete, soll der 1. FC Nürnberg über eine Rückholaktion von Tempelmann, der bereits von 2021 bis 2023 in 66 Spielen das Clubtrikot überstreifte, nachdenken. Demnach soll es eine erste Kontaktaufnahme gegeben haben und der Spieler, der bis 2026 noch bei Schalke 04 unter Vertrag steht, sich grundsätzlich eine Rückkehr vorstellen können. Doch wäre dieser Schritt für den FCN überhaupt sinnvoll?
Tempelmann als Bessermacher – und bald Castrop-Ersatz?
Unbestritten ist, dass Tempelmann nicht nur aufgrund seiner Tore bei Braunschweig herausstach. Im Spiel mit Ball machte der 26-Jährige die Niedersachsen im Laufe der Rückrunde besser. Als Bindeglied zwischen Defensive und Offensive fungierte er immer wieder als Takt- und Impulsgeber. Insbesondere seine cleveren Laufwege, sowohl zwischen den Linien und noch mehr in die Tiefe, sorgten für Unruhe in den gegnerischen Abwehrreihen. Doch auch gegen den Ball reihte er sich diszipliniert ins Braunschweiger Mittelfeld ein und half dabei, die Räume eng zu halten, aber auch phasenweise höher zu attackieren.
Bekanntermaßen ist der FCN auf der Suche nach einem Ersatz für den nach Mönchengladbach abwandernden Jens Castrop. Doch wäre Tempelmann tatsächlich diese Art von Box-to-Box-Spieler, die die Franken nun suchen? Teilweise, wie die Datenanalyse zeigt.
Unterschiedliche Qualitäten in der Offensive
Ähnlich wie Castrop bringt auch Tempelmann Qualitäten im Balltragen mit. Was vertikale Ballführungen, Dribblings und Antritte pro 90 Minuten angeht, bringt der Achter in einer gegen den Abstieg spielenden Mannschaft gute Werte mit – kommt aber in der Summe (3,8 pro 90 Minuten) nicht ansatzweise an die Dynamik von Castrop (7,8) heran. Auch beim Top-Speed, der bei Castrop bei 34,6 km/h in dieser Saison lag, kommt Tempelmann mit 32,8 km/h nur bedingt hinterher.
Stattdessen bringt Tempelmann im Vergleich zu Castrop auf den ersten Blick eine deutlich höhere Torgefahr mit, erzielte trotz weniger Einsatzminuten inklusive Relegation mehr als doppelt so viele Tore (7) wie Nürnbergs ehemalige Nummer 17 (3). Sicherlich auch, weil Tempelmann bei Braunschweig über mehr Freiheiten nach vorne verfügte, suchte er häufiger den Abschluss und fungierte als tiefstartende Gefahr aus dem Rückraum – eine Qualität, die dem FCN in der abgelaufenen Saison etwas abging.
Tempelmann ballsicherer
Obwohl Tempelmann in Braunschweig bei keiner Ballbesitzmannschaft spielte, ist die Anzahl seiner empfangenen und gespielten Pässe im Vergleich zu Castrop nicht dramatisch niedriger. So ließ er sich beispielsweise am letzten Spieltag gegen den FCN auch mal tiefer fallen, um den Spielaufbau voranzutreiben – auch das wäre eine Qualität, mit der er Caspar Jander entlasten könnte. Denn Tempelmann ist – sicherlich auch aufgrund seiner nicht ganz so hohen Risikofreude mit Ball – ballsicherer, verzeichnete eine deutlich höhere Quote im Offensivzweikampf und ist auch in der Präzision von linienbrechenden Pässen Castrop voraus – wenngleich die Gesamtpassquote mit 80 % gleichauf liegt. Geht es um das Kreieren von Torchancen, ist Tempelmann weniger der finale Passgeber, sondern mehr derjenige, der durch seine Laufwege Räume aufreißt. Castrop liegt hier rein statistisch vorne.
Deutliche Unterschiede in der Defensive
Etwas weiter auseinander gehen die Defensivparameter. Bei erfolgreichen Offensivaktionen pro 90 Minuten liegen die beiden Achter in etwa gleich auf – bei erfolgreichen Defensivaktionen hingegen verzeichnet Castrop mit über 8 pro 90 Minuten deutlich mehr als Tempelmann mit rund 5 – obwohl Braunschweig häufiger verteidigen muss. Vor allem bei der Aggressivität im direkten Duell, die dem FCN in der Vergangenheit bei Castrop-Ausfällen schmerzlich abging, kann Tempelmann nicht Schritt halten. Auch bei abgefangenen gegnerischen Pässen hat Castrop klar die Nase vorn. Trotz seiner Größe von nur 1,75 Metern zählte Tempelmann allerdings zu den kopfballstärksten zentralen Mittelfeldspielern der 2. Bundesliga mit einer Erfolgsquote von 54 %.
Kein 1:1-Ersatz zu Castrop, keine 1A-Lösung
Anhand dieser Daten kann man feststellen, dass Tempelmann definitiv kein 1:1-Ersatz zu Castrops Profil wäre, was zugegebenermaßen auch nur schwer zu finden ist. Dafür fehlt dem gebürtigen Münchner die Dynamik sowie Aggressivität. Stattdessen brächte er mit seinen Tiefenläufen und seiner Torgefahr andere Qualitäten mit, die dem Nürnberger Spiel ebenfalls guttäten. Rein datentechnisch ist Tempelmann sogar Rafael Lubach deutlich ähnlicher – bei Parametern wie Chancenkreation, Dribblings, Ballaktionen im gegnerischen Strafraum, vertikalen Ballführungen oder manchem Passwert liegen beide auffällig nah beieinander.
Da Sportvorstand Joti Chatzialexiou ankündigte, die Kaderbreite vergrößern zu wollen, könnte Tempelmann eine zusätzliche Alternative fürs Mittelfeld darstellen, aber das fehlende Profil von Castrop nur teilweise erfüllen. Zudem muss man sich fragen, ob nicht schon mit Lubach ein solch ähnlicher Spielertyp, der noch über viel Entwicklungspotenzial verfügt, vorhanden ist.
Den Ansprüchen genügend?
Tempelmann hingegen, der sich nach anderthalb erfolglosen Jahren auf Schalke endlich wieder in Form bringen konnte, müsste beim 1. FC Nürnberg deutlich höhere Erwartungen erfüllen als zuletzt in Braunschweig. Die große, vielversprechende 1A-Lösung wäre er dementsprechend wohl nicht. Allerdings hätte er dennoch das Potenzial, eine wertvolle Rolle spielen zu können. Ob diese Aussicht für die Ambitionen einer Top-7-Platzierung dem FCN genügt, ist zumindest fraglich.