FCN: Kaderverkleinerung durch Leihe
Leihgeschäfte: ein gutes Mittel, um als abgebender Verein jungen Talenten woanders Spielpraxis zu ermöglichen. Nicht so beim 1. FC Nürnberg, der seine sechs verliehenen Spieler mit einem Durchschnittsalter von rund 26 wohl hauptsächlich aus Gründen der Kaderverkleinerung und der Gehaltseinsparung abgab. Umso größer ist die Hoffnung beim „Verein mit dem strukturellen Defizit“ auf gute Leistungen der Verliehenen, damit sich deren Marktwerte erhöhen, sie interessant für andere Vereine werden und vollständig von der Gehaltsliste verschwinden. Deshalb lohnt sich ein Blick, wie sich Jannes Horn, Ivan Marquez, Joseph Hungbo, Manuel Wintzheimer, Christoph Daferner und Ali Loune bei ihren Leihvereinen machen.
Jannes Horn: der „Unsung Hero“
Im Sommer heuerte der 27-jährige Jannes Horn in den USA bei St. Louis City an. Seitdem kam der Linksfuß in der MLS neunmal – siebenmal von Beginn an – als Linksverteidiger zum Einsatz. Von seinem Sportdirektor und Landsmann erhielt Horn für seine bisherigen Leistungen lobende Worte, indem er als „Unsung Hero“ und als jemand, der die Mannschaft defensiv wie offensiv stabilisiert, bezeichnet wurde. Nach einer Serie von nur einem Sieg aus 14 Spielen trug Horn dazu bei, dass man immerhin vier der letzten neun Saisonspiele gewann. Vor allem seine Ballsicherheit, Stärken im Spielaufbau und sein Stellungsspiel scheinen dem Tabellenzwölften der Western Conference gutzutun.
Ob Horn auch über den Sommer hinaus in den USA bleibt, scheint noch offen zu sein, zumal die MLS erst kürzlich beendet wurde und erst Ende Februar in die neue Saison startet. Angesichts der lobenden Worte von Pfannenstiel scheint ein fester Transfer in Zukunft nicht ausgeschlossen. Zudem dürfte St. Louis wenig Interesse daran haben, seinen Stabilisator mitten in der MLS-Saison im Sommer gehen zu lassen. Bleibt Horn fit und kann die lobenden Worte auch in der neuen Saison bestätigen, scheint ein fester Abgang mittels vorhandener Kaufoption seitens St. Louis aus Nürnberg realistisch.
Ivan Marquez: Trotz Top-Defensive auf die Bank
Nach dem offensichtlichen Mismatch beim 1. FC Nürnberg ging es für Ivan Marquez zurück nach Nijmegen, wo er auf Anhieb wieder zum Stammspieler avancierte. An den ersten 13 Spieltagen stand der Innenverteidiger zwölfmal in der Startelf und war damit mitverantwortlich, dass man zwischenzeitlich auf einem stabilen neunten Platz rangierte. Mit seinen bekannten Stärken im Zweikampf war der 30-Jährige fester Bestandteil der zweitbesten Abwehr der Eredivisie, was sich nun allerdings änderte. Nach der 1:2-Niederlage gegen Utrecht fand sich Marquez auf der Bank wieder, woraufhin seine Mannschaft erst 1:2 gegen Ajax verlor und daraufhin eine 0:5-Klatsche bei den Go Ahead Eagles kassierte. Sollte Marquez bald in die Startelf und sein Klub zu alter Form zurückkehren, so darf man sich in Nürnberg Hoffnungen machen, dass die Kaufoption aktiviert wird.
Joseph Hungbo: Nicht mehr als Ansätze
Joseph Hungbos bisherige Zeit beim englischen Drittligisten Rotherham United steht unter einem ähnlichen Stern wie die beim FCN. Denn über vielversprechende Ansätze kommt der schnelle Flügelspieler bislang nicht hinaus. Bei 18 Spielen stand der 24-jährige Engländer nur viermal in der Startelf und wurde weitere sechs Male eingewechselt. „Die mitreißende erste Halbzeit von Hungbo brachte sicherlich Schwung in das kalte Valley Parade.“ – dieser Auszug aus einem Spielbericht lässt einerseits sein Potenzial andeuten. Andererseits steht der wendige Dribbler nach fast 700 Pflichtspielminuten noch ohne Scorerpunkt da. Zu selten resultiert aus seiner großen Stärke im 1-gegen-1 Torgefahr durch Schussvorlagen oder Abschlüsse.
Aufgrund dessen lassen sich derzeit wenig Gründe finden, wieso Rotherham, die im tiefsten Abstiegskampf stecken, an einer Weiterbeschäftigung Hungbos über den Sommer hinaus interessiert sein sollte. Trotzdem kann angesichts des frühen Stadiums dieser Saison noch viel passieren. Zumal Hungbo vor wenigen Wochen interessante Ansätze als linker Schienenspieler in der Fünferkette zeigte: Beim 1:0-Sieg im Pokal gegen einen Viertligisten war Hungbo in dieser Partie mit zwölf Dribblings und neun Defensiv-Zweikämpfen und jeweils Erfolgsquoten um 80% sehr auffällig in beide Spielfeldrichtungen.
Manuel Wintzheimer: Leider verletzt
Mit zwei Toren und vier Vorlagen – allesamt in der Phase von Spieltag 6 bis 11 – fand sich Manuel Wintzheimer zunehmend besser ein bei RW Essen in der 3. Liga. Doch im November bremste ein Syndesmosebandanriss den Mittelstürmer aus. Nach erfolgreicher Operation wird der 25-Jährige somit bis mindestens Ende Februar dem aktuellen Tabellenachtzehnten nicht zur Verfügung stehen. Auch hier ist nicht nur wegen der Verletzung ein Verbleib in Essen über den Sommer hinaus ungewiss. Denn der Klassenerhalt ist als Inhaber eines Abstiegsplatzes in Gefahr. Umso größer dürften die Hoffnungen sein, dass Wintzheimer im Frühjahr wieder an die Effizienz des Herbstes anknüpfen kann. Wie schnell ihm das dann nach vierteljähriger Ausfallzeit gelingen kann, ist die große Frage.
Christoph Daferner: Top-Torjäger der 3. Liga
Für Christoph Daferner könnte die Leihe zu Dynamo Dresden kaum besser laufen. Nicht nur, weil der Stürmer mit der SGD nach 17 Spieltagen auf Aufstiegsplatz 2 der 3. Liga steht, sondern noch mehr, weil er mit elf Treffern – fünf davon und zudem noch zwei Vorlagen in den letzten fünf Spielen – alleiniger Top-Torjäger der Liga ist. Zu gerne dürften die Sachsen den 26-Jährigen in dieser Form wohl über das Leihende im Sommer hinaus behalten wollen. Schon im vergangenen Sommer merkte Daferner die einmalige Wertschätzung für ihn in Dresden an. Da keine Kaufoption besteht, könnte der 1. FC Nürnberg bei Fortführung dieser Torquote nach der Saison in eine gute Verhandlungsposition gelangen, um zumindest einen Anteil der damaligen Ablöse von wohl über einer Million Euro laut transfermarkt.de zurückzubekommen.
Ali Loune: auffälliger Stammspieler mit Eskapaden
Erst vor kurzem sorgte Ali Loune für bundesweite Schlagzeilen. Allerdings nicht aus fußballerischen Gründen, sondern weil er unter Alkohol am Steuer einen Unfall fabrizierte. Nach kurzer Denkpause kehrte der 22-Jährige zuletzt in den Kader von Erzgebirge Aue zurück und kam immerhin von der Bank zum Einsatz. Vor Verlust seines Führerscheins war der defensive Mittelfeldspieler Stammpersonal beim „Kumpelverein“. Von seinen 13 Einsätzen erfolgten zehn von Beginn an. Dort avancierte er zum Mittelfeldspieler mit den meisten Defensiv-Zweikämpfen pro 90 Minuten und bringt gleichzeitig mit 85% Passpräzision Ballsicherheit in der Zentrale mit.
In der „Freien Presse“ schrieb man zeitweise sogar von wiederholten „Topleistungen“ und einem der auffälligsten Spieler bei den Veilchen. Doch auch er konnte Aues Absturz ins Tabellenmittelfeld und die damit einhergehende Trainerentlassung nicht verhindern. Es scheint nicht unrealistisch, dass Loune, der sich in Aue wohlfühlt, auch länger im Erzgebirge bleibt. Wenngleich zunächst die sportliche Talfahrt mit sieben Niederlagen aus den letzten zehn Spielen aufgehalten werden muss.
Keine Rückkehr, aber Verkauf?
Dass einer der sechs verliehenen Spieler nochmal Fuß beim 1. FC Nürnberg fassen wird, scheint derzeit unwahrscheinlich. Immerhin konnte sich bis auf Hungbo jeder über den größten Teil der bisherigen Saison als Stammspieler beim jeweiligen Verein etablieren, weshalb es angesichts dessen durchaus einen Markt für diese Spieler geben könnte. Ob man dadurch die großen Ablösen einfahren kann, ist die andere Frage. Doch auch schon ein fester Abgang und die damit einhergehenden Gehaltseinsparungen wären ein finanzieller Erfolg für den klammen FCN.
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