Servus, Michael! Du bist schon seit geraumer Zeit Trainer beim 1. FC Nürnberg, warst in der letzten Saison mit die U17 sehr erfolgreich und trainierst seit dieser Spielzeit die U19. Nuri Sahin sprach unlängst, dass er sich spätestens dazu entschied, Trainer zu werden, als er Thomas Tuchel im Trainingslager an der Taktiktafel sah. Hattest du einen ähnlich prägenden Moment?
„Servus! Bei mir gab es tatsächlich nicht den einen ausschlaggebenden Moment. Mich hat es als Spieler immer ein wenig genervt, wenn meine Mitspieler nicht die Ideen umgesetzt haben, die ich im Kopf hatte. Deswegen habe ich mich irgendwann selbst ausprobiert. Erst als Assistent bei den Bambinis und später dann als D-Jugend Trainer in Wendelstein.“
…und seit 2015 bist du beim Club tätig. Wie ist damals der Kontakt entstanden?
„Eines Tages hat mich Björn Benke zusammen mit Dieter Nüssing angerufen und dann ging es relativ schnell. Jetzt bin ich tatsächlich der dienstälteste Trainer in Nürnberg und bin aktuell in der 10. Saison hier. Zuerst war ich Co-Trainer der U13. Damals hatte ich noch nicht das Ziel, U19-Trainer zu werden. Aber es hat immer mehr Spaß gemacht und so hat sich das alles Schritt für Schritt entwickelt. Mein Co-Trainer ist von Beginn an Stefan Ell. Er ist ein extrem wichtiger Ansprechpartner für die Mannschaft und mich.“
Wie sehr verfolgst du den Herrenbereich und wie eng ist der Austausch mit Miroslav Klose und Co?
„Ich versuche, dass ich einmal pro Tag bei den Herren das Training anschaue. Mit Joti und Miro sind wir vom Trainerteam regelmäßig im Austausch. Es ist beispielsweise auch vorgesehen, dass wir im Oktober drei bis vier Tage hospitieren dürfen, um die Abläufe im Profibereich kennenzulernen. Da ich selbst nie Profi war, freue ich mich sehr darauf, zu sehen, wie eine Kabine im Lizenzbereich funktioniert oder wie der Tagesablauf ist, um das auch den Jungs weitergeben zu können.“
In Instagram habe ich vor kurzem bei dir eine Story von Jürgen Klopp gesehen. Ist er für dich als Trainer ein Vorbild?
„Ja, das kann man so sagen. Mir gefällt es, dass er aus Teams Dinge herausholt, die man vorher nicht erwarten kann. Er war in Mainz erfolgreich und hat einen guten Fußball spielen lassen. In Dortmund sowieso – dazu ist er noch deutscher Meister geworden und hat den Einzug ins Champions League Finale geschafft. Was er in dieser Zeit entwickelt hat, war unglaublich. Und auch zuletzt bei Liverpool. Da ist jedes Spiel aufregend, es geht immer etwas ab auf dem Feld. Das gefällt mir. Mittlerweile ist aber auch Frank Schmidt für mich ein Vorbild, dessen Buch ich gerade lese. Pep Guardiola muss ich auch nennen und ebenso Reinhold Hintermaier, der mich lange begleitet hat, zudem Michael Wimmer sowie Pellegrino Matarazzo, die ebenfalls beim FCN-Nachwuchs tätig waren. Von allen konnte ich einiges mitnehmen. Aber die Nummer eins ist Kloppo.“
Wenn man sich die Zahlen von deinen Teams anschaut, dann nehme ich an, dass auch für dich Pressing und Gegenpressing ein sehr wichtiges Element ist? Ihr hattet schließlich letztes Jahr bei der U17 die meisten Balleroberungen und meisten gewonnenen zweiten Bälle eurer Liga.
„Ja, tatsächlich. Gegenpressing ist für uns extrem wichtig. Aber je besser du presst, umso mehr Ballbesitz hast du. Ich will damit sagen, dass wir uns nicht über zweite Bälle definieren. Wir sind keine Mannschaft, die den Ball nach vorne schlägt. Aber ja, wir leben von Pressing, vorne drauf und Attacke. Deshalb sprechen wir auch nicht davon, den Gegner anzulaufen, sondern von ansprinten, um den Ball zu erobern.“
In der Bundesliga und 2. Bundesliga sieht man mittlerweile extrem viele Mannschaften sehr mannorientiert pressen und kaum noch im Raum wie noch vor ein paar Jahren. Inwiefern sind denn allgemein taktische Trends auch bei den Junioren zu erkennen?
„Auch bei uns in der U19 wird sehr viel Mann gegen Mann verteidigt. Ich würde schon sagen, dass viele Trends erkennbar sind. Zum Beispiel wollen viele Teams die Mitte überladen, egal ob durch einen aufgerückten Innenverteidiger oder einen eingerückten Flügel. Man sieht auch häufig ein 3-Box-3 im Ballbesitz mit einer Doppel-Sechs und breiten Achtern sowie hohen Flügelspielern, um die gegnerischen Außenverteidiger zu binden.“
Sind das auch Elemente, die man bei euch wiederfindet?
„Wir wollen selbst vermehrt im Raum pressen und den Gegner bewusst in Räume lenken, in denen wir in Gleichzahl oder Überzahl besetzt sind. Hierfür sind ein gutes Timing, Deckungsschatten und das Zustellen von Rückpässen wichtige Elemente. Deshalb lassen wir auch gerne aus dem 4-1-3-2 heraus verteidigen, um frühen Balldruck auf die gegnerischen Innenverteidiger zu bekommen. Mit Ball ist das größte Credo, dass wir für den Gegner nicht greifbar sein wollen. Es ist bei uns also kein Prinzip, permanent das Zentrum zu überladen. Da sind wir flexibel und wollen bewusst viele Positionswechsel. Allgemein muss man dazu sagen, dass wir im gesamten NLZ eine Spielphilosophie herausgearbeitet haben. Da wurden alle Trainer mit ins Boot geholt und dementsprechend dient diese automatisch als Basis, weil man sie auch selbst mitentwickelt hat.“
Apropos NLZ: Der 1. FC Nürnberg hat in den vergangenen Jahren immer wieder talentierte Fußballer hervorgebracht. Was ist für dich der Schlüsse für die so starke Jugendarbeit?
„Wir sind zwar personell nicht riesig besetzt, aber ich nenne es immer klein und fein. Hier wird einfach unfassbar viel Herzblut und Engagement reingesteckt. Die Leute drumherum geben alles. Die Spieler sind ihnen wichtiger als der eigene Erfolg. Das fängt bei den Mitarbeitern im Scouting an und geht beispielsweise bei den Pädagogen weiter. Zudem haben wir mittlerweile ein gutes und geschärftes Profil an Spielern, die wir zu uns holen und weiterentwickeln können.
Wie häufig und wie gerne schaust du außerhalb deiner Trainertätigkeit noch Fußball? Und was schaust du dir gerne an? Für viele diente ja beispielsweise Brighton & Hove Albion unter Roberto de Zerbi als Inspiration.
„Ich schaue natürlich sehr gerne und sehr viel Fußball. Ich habe mich jetzt erst vor kurzem viel mit Fluminense und deren Beziehungsfußball (Gegenstück zum Positionsspiel, Anmerkung d. Red) beschäftigt. De Zerbi ist natürlich auch cool, für meinen Geschmack aber einen Ticken zu reaktiv, da immer der Gegner den ersten Schritt machen muss. Mir gefällt es besser, wenn der Ball in Bewegung ist und alle Spieler marschieren. Auch meine Hospitation beim DFB vor kurzem war natürlich sehr spannend.“
Wie wichtig ist für euch in der Jugend die spezifische Vorbereitung auf den nächsten Gegner? Ich nehme an, dass sich das auch von Jugend zu Jugend unterscheidet?
„Ja, klar. Die Gegnervorbereitung ist in der U13 natürlich eine ganz andere als in der U19. Wir trainieren aber auch kein Elf gegen Null, dafür sind die Jungs bei der Videoanalyse über den nächsten Gegner etwas länger aufmerksam. Wir besprechen beispielsweise, wie der Gegner herausspielt und was wir dagegen machen können. Das sind immer zwei bis drei Variationen. Mit Ball zeigen wir, wie der Gegner presst und wo sich dementsprechend Räume für uns ergeben könnten. Standards sind natürlich auch ein Thema. Letztendlich wollen wir aber im Idealfall unser Spiel durchbekommen.“
Wie sehen denn deine persönlichen Ziele aus? Hast du einen konkreten Plan, wo du mal hinmöchtest? Ist es auf jeden Fall der Profibereich oder kannst du dir auch vorstellen, der Norbert Elgert beim FCN zu werden?
„Norbert Elgert ist tatsächlich eine Art Vorbild, etwas in die Richtung ist durchaus denkbar. Ich bin zudem Kaderplaner bei uns im Jugendbereich ab der U12. Ich kann mir auch vorstellen, etwas in die Richtung zu machen. Natürlich hat der Herrenbereich seinen Reiz, vielleicht auch erst einmal als Co-Trainer. Ich bin da tatsächlich offen für alles und lasse es auf mich zukommen.“
Was waren denn bis dato die größten Unterschiede zwischen den verschiedenen Jugendmannschaften und inwiefern würde sich die Arbeit im Herrenbereich nochmal davon unterscheiden?
„Die eigene Spielidee wird mit der Zeit immer klarer. In der U13 zum Beispiel geht es darum, den Kindern die Kombinationsfreude am Fußball beizubringen. Später wird es dann detaillierter. Also zum Beispiel, wie wollen wir uns verhalten, wenn wir rechts vorne durchbrechen. Wo soll der Ball hin, welcher Pfosten soll wie belaufen werden, um ein paar Beispiele zu nennen. Im Herrenbereich wäre zum Beispiel der Umgang mit den Medien Neuland. Die Spieler wissen natürlich schon deutlich mehr und wollen sich dementsprechend mehr einbringen. Vielleicht wird der Matchplan mal intensiver hinterfragt, aber ich bin überzeugt, dass man mit einer guten Philosophie sowie einer guten Art und Weise, wie man diese rüberbringt, wenig Unterschiede merken würde.“