Transfercoup: Robin Knoche
Mit der Verpflichtung von Robin Knoche ist dem 1. FC Nürnberg ein echter Transfercoup gelungen. Der 32-jährige Innenverteidiger war in den letzten 10 Jahren fast ausschließlich Stammspieler in der Bundesliga und kommt insgesamt auf 306 Einsätze in Deutschlands höchster Spielklasse. Insbesondere für Union Berlin war der ehemaliger Nationalspieler in den vergangenen vier Saisons ein wichtiger Baustein. Schließlich absolvierte er 88% aller möglichen 136 Bundesligaspiele in diesem Zeitraum von Beginn an. Lediglich in seiner letzten Saison bei den Köpenickern kam Knoche seltener zum Zug. Auffällig: in den 14 Spielen ohne Knoche in der Startformation sammelte Union nur 0.6 Punkte pro Spiel – in den Spielen mit Knoche mit 1.2 Punkten pro Spiel gleich doppelt so viel. Diesen offensichtlich positiven Impact als erfahrener Führungsspieler soll der 1.89-m-Hühne nun in einer jungen Nürnberger Mannschaft einbringen. Doch nicht nur seine Vita macht Knoche zum designierten „Achsenspieler“.
Robin Knoche: extrem starkes Timing
Trotz seines fortgeschrittenen Alters weist Robin Knoche nach wie vor ein exzellentes Timing im Verteidigen auf. Dies bewies er vor 2 Saisons, als er mit 73% gewonnenen Defensivduellen zu den 5 besten Innenverteidigern der Bundesliga gehörte. Auch in der abgelaufenen Saison konnte er 70% seiner Zweikämpfe im Spiel gegen den Ball für sich entscheiden. Auffällig ist, dass er hierbei nahezu ohne Grätschen auskam – lediglich viermal griff er hierzu in den letzten beiden Saisons. Union Berlin beherrschte die Fünferkette unter Urs Fischer jahrelang nahezu in Perfektion. Die 3 Innenverteidiger, von denen Knoche meist den zentralen Part einnahm, verteidigten im richtigen Moment nach vorne, um den Raum vor der Abwehr möglichst eng für den Gegner zu halten. Gleichzeitig sicherte man mit den anderen Spielern sehr gut die Tiefe. Unter Miroslav Klose deutet zwar aktuell wenig auf eine Fünferkette hin, Knoches starkes Timing im nach vorne verteidigen und Sichern des Raums hinter der Abwehr wird neben Finn Jeltsch dennoch ein extremer Zugewinn für den FCN sein.
Gutes Stellungsspiel
Einhergehend mit seinem Timing ist sein gutes Stellungsspiel. Dies äußert sich nicht nur daran, dass Knoche für seine Nebenmänner den Rücken freihält. Ebenso verfügt er über ein Gespür dafür, welchen Raum es zu verteidigen gilt. Beleg dafür ist die hohe Anzahl seiner Klärungsaktionen. In der Saison 2022/2023 gab es nur 6 Bundesligaspieler, die häufiger den Ball aus der Gefahrenzone bereinigten – und das, obwohl er innerhalb einer Fünferkette, in der potenziell mehrere verschiedene Spieler den Ball klären könnten, verteidigte. Seine gute Quote an geklärten Bällen sank in der Folgesaison von 4.4 auf 3.4 pro 90 Minuten. Dies ist sicherlich auch damit zu erklären, dass Union allgemein eine deutlich schlechtere Saison (Rang 15 mit 58 Gegentoren) als noch zuvor (Rang 4 mit 38 Gegentoren) spielte.
Sind die FCN-Schwächen in der Luft passé?
15 Gegentreffer – und damit mit Abstand die meisten aller Zweitligisten – kassierte der 1. FC Nürnberg in der abgelaufenen Spielzeit per Kopf. Auch deshalb entschied man sich dafür, nicht mit Jannes Horn in die neue Saison zu gehen, der „nur“ 44% seiner Kopfballduelle für sich entscheiden konnte. Jedoch ist zumindest aus Datensicht der Kopfball auch keine der ausgewiesenen Stärken von Robin Knoche. In den vergangenen Jahren pendelte sich Knoches Quote in der Luft bei etwa 50% ein – mal lag sie ein bisschen drüber, mal ein wenig darunter. Union Berlin war dennoch eines der Teams, das mit die beste Boxverteidigung der letzten Jahren aufwies und sowohl nach Flanken als auch nach Kopfbällen nur wenige Gegentreffer zuließ. Immerhin: laut einer Kennzahl für Luftduelle liegt die Wahrscheinlichkeit bei 66%, dass Knoche einen Defensiv-Kopfball gewinnt. Damit war er immerhin viertbester Unioner. Die Wahrheit über sein Kopfballspiel dürfte demzufolge in der Mitte dieser beiden angeführten Statistiken liegen.
Solider Spielaufbau
Im Spiel mit Ball sind von Robin Knoche keine Wunderdinge, aber solide Lösungen zu erwarten. Bei den Köpenickern bestand der Spielaufbau häufig aus langen Bällen, die Knoche in der Lage ist, präzise zu spielen. Vertikale und flache Aufbaumuster sah man selten bei Union, weshalb auch Knoches Passqoute mit 86% für einen Innenverteidiger eher unterdurchschnittlich ist. Jedoch ist die Quote nicht schlechter als die seiner ehemaligen Nebenmänner. 6 raumgewinnende Pässe brachte der FCN-Neuzugang in der abgelaufenen Saison pro 90 Minuten zum Mitspieler, womit er im Ranking der Eisernen hinter Kevin Vogt den 2. Platz vor Doekhi und Leite belegte. Andribbeln sieht man Robin Knoche im Spielaufbau wenig, was aber umso mehr Finn Jeltschs Stärke ist, wodurch sich die beiden gut ergänzen könnten.
Anlaufschwierigkeiten?
Auch wenn Robin Knoche zweifelsfrei extrem viel Qualität und Erfahrung aus der Bundesliga mitbringt, muss er sich vermutlich erst an die neue Herausforderung gewöhnen. Nicht zwingend, da in der 2. Bundesliga anders Fußball gespielt wird. Sondern vor allem, da er eine dominante Spielanlage auf dem Platz schon viele Jahre nicht mehr erlebte. Union Berlin war in der Bundesliga stets eines der Teams, das die wenigsten Ballbesitzanteile verzeichnete. Unter Miroslav Klose soll dies beim 1. FC Nürnberg anders sein. Klose möchte den FCN zudem sehr hoch pressen lassen. Teil einer hohen Abwehrkette – vor allem mit nur einem Nebenmann im Zentrum – war Knoche bei Union so gut wie nie. Aufgrund seines Tempodefizitis (Top-Speed 23/24: 31.83 km/h) wird sein Stellungsspiel dementsprechend besonders gefragt sein. Auf dieses konnte er sich in den letzten Jahren aber fast immer verlassen und es gibt wenig Gründe, warum sich dies jetzt ändern sollte.
Knoche als Unterschiedsspieler in der 2. Bundesliga
Letztendlich ist Robin Knoche mit seiner Erfahrung und Qualität der erwünschte Achsen- und Führungsspieler in der Defensive. Vor nicht allzu langer Zeit – nämlich in der Saison 2022/2023 – erlebte Knoche wohl den Höhepunkt seiner Karriere. Als unumstrittener Stammspieler war er maßgeblich daran beteiligt, dass Union Berlin in die Champions League einzog. Zudem steuerte er in 46 Pflichtspielen starke 11 Scorerpunkte bei. Mit vier verwandelten Elfmetern übernahm er Verantwortung, die nun auch in Nürnberg gefragt sein wird. Dass er in der Folgesaison – wie die gesamte Unioner Mannschaft – das Niveau nicht halten konnte, ist keine riesige Überraschung. Nach wie vor steht außer Frage, dass er insbesondere für die 2. Bundesliga in der Defensive ein Unterschiedsspieler sein kann. Es wäre nicht verwunderlich, wenn der Neuzugang von Tag eins an vorneweg marschiert und schon bald die Kapitänsbinde tragen wird.