Nach dem Abgang von Cristian Fiél steht der 1. FC Nürnberg noch ohne Trainer da. Wirklich viel Konkretes spuckt die Gerüchteküche noch nicht aus. Nachdem Mike Tullberg in den Fokus rückte, verabschiedete er sich schnell wieder aus selbigem. Wie die BILD nun berichtet, steht Matthias Kohler weit oben auf der Liste der Nürnberger Trainerkandidaten.
Matthias Kohler: vielseitige Vita
Der Werdegang Kohlers ist dabei kein Gewöhnlicher. Nachdem er seine Spielerkarriere aufgrund von 2 Kreuzbandrissen frühzeitig beenden musste, begann er mit 19 Jahren die Ausbildung zum Sportkaufmann und absolvierte obendrein verschiedene Trainerlizenzen beim DFB. Beim Fußballbund wurde er zudem Stützpunkttrainer – zu dieser Zeit hatte er auch bereits mit dem neuen Nürnberger Sportvorstand Joti Chatzialexiou Kontakt. Als nächste Station verschlug es Kohler nach Südafrika, wo er für Ajax Cape Town in der U-21 tätig war. Später war er zudem in der Akademie von Ajax Amsterdam Sportlicher Leiter und für die Trainings- und Spielphilosophie der Jugendmannschaften verantwortlich. In dieser Zeit wurde auch seine Anschauung und Ausrichtung sowie seine Spielidee massiv beeinflusst – „ich bin geprägt von Johan Cruyff“, sagte der Cluberer Trainerkandidat 2018 in einem Interview mit dem Südkurier. Menschlich konnte er eigenen Aussagen zufolge in seiner Jugendzeit beim SC Freiburg viel von Christian Streich mitnehmen.
Durchwachsene Erfolge als Trainer
Kohlers erste Cheftrainerstation folgte 2019 beim AS Trencin, für die er zuvor bereits als Strategischer Berater tätig war. Nach lediglich 15 Spielen endete seine Zeit in der Slowakei nach mäßigem Erfolg aber schon wieder. Daraufhin verschlug es den 32-Jährigen (wird am Sonntag 33) in die Schweiz zum FC Basel. In der U-21 des FCBs verzeichnet Kohler nach wie vor eine der besten Punkteausbeuten (1.68 pro Spiel) der letzten Jahre. Nach nur einem Jahr zog er allerdings schon wieder weiter, diesmal zurück in die Niederlande. Beim FC Volendam feierte er den Aufstieg als Co-Trainer, bevor er in der abgelaufenen Saison selbst zum Chefcoach ernannt wurde. Nach 8 Punkten aus 14 Spieltagen folgte allerdings mit seinem Rücktritt das schnelle Ende – wohl auch, da es im Verein große Streitigkeiten zwischen Aufsichtsrat und Management gab. Nur kurze Zeit darauf war er in Köln als Baumgart-Nachfolger im Gespräch, der Effzeh entschied sich aber bekanntermaßen für Timo Schultz und stieg am Ende ebenso wie Volendam ab. In seinen jungen Jahren erlebte Matthias Kohler dementsprechend bereits sehr, sehr viel.
Matthias Kohler: offensive Herangehensweise
Dass Kohler massiv von Johann Cruyff geprägt wurde, zeigte sich auch an seiner letzten Station in Volendam, die seinerzeit den niedrigsten Marktwert und die mit Abstand jüngste Mannschaft der Eredivisie aufboten. Auffällig wird dies vor allem, wenn man die Daten mit derer seines Nachfolgers Regillio Simons vergleicht. Trotz der permanenten Außenseiterrolle versuchten die Niederländer unter Kohler, Fußball zu spielen und aktiv zu sein. Der Erfolg blieb aber auch unter ihm aus. Zwar scheiterte man auch an der eigenen Chancenverwertung (15 Tore aus 20 Expected Goals), hatte aber auch anderweitig mit eigenen Fehlern Probleme. So waren es mitunter viele Ballverluste, die den Gegner zu Chancen einluden. Als gutes Beispiel eignet sich hierfür das Spiel gegen PSV Eindhoven, das man mit 1:3 verlor. Obwohl Volendam am Ende nur 27% Ballbesitz verzeichnete, mündeten 16 eigene Ballverluste in einem Abschluss der Gäste. Trotz der ausbleibenden Ergebnisse blieb Kohler seiner Idee bis zum Schluss treu und versuchte es auch gegen den Ball mit hohem Pressing. Nach Ballverlust setzte man zudem stets auf ein sofortiges Gegenpressing und gehörte diesbezüglich sowohl was Intensität als auch Erfolgsquote betrifft, in die obere Tabellenhälfte der Eredivisie. Auch wenn er nahezu durchgehend mit einer Viererkette auflief, zeigte er sich ansonsten bezüglich der Grundformation relativ flexibel.
Kohlers Herangehensweise war auch schon bei seiner ersten Trainerstation in der Slowakei ähnlich. Auch hier versuchte seine Mannschaft, Spiele mit viel Ballbesitz (60%) zu kontrollieren und dominieren. Dass Trencin unter Kohler die Hälfte seiner Abschlüsse aus der Distanz abgab, lässt aber vermuten, dass die Ideen im letzten Drittel nicht immer die besten waren. Die 22 Gegentreffer aus den 12 absolvierten Ligaspielen zeigen zudem, dass man nicht selten Probleme hatte, die Tiefe zu verteidigen und dementsprechend defensiv viel zuließ.
Taktische Ausrichtung
Auch wenn Matthias Kohler immer wieder versuchte, taktische Dinge anzupassen, lassen sich dennoch einige Wiederholungen und Kernelemente aus seinen Spielen schlussfolgern. Der Spielaufbau erfolgte häufig über beide Innenverteidiger, vor denen ein 6er als Anspielstation fungierte. Ein Mittelfeldspieler war eher der Typ Box-to-Box, der sowohl defensiv als auch offensiv Impulse setzen sollte. Davor positionierte sich ein offensiver Mittelfeldspieler, der situativ auch als zweite Spitze nach vorne rücken konnte. Interessant war die Rolle der Außenverteidiger, die – ähnlich wie in Nürnberg – häufig in die Spielfeldmitte rückten. Nicht permanent, aber sehr situativ, um die Passoption auf den breitstehenden Flügelspieler zu öffnen. Gegen den Ball versuchten Kohlers Mannschaften stets hoch zu pressen und nach vorne zu verteidigen. Häufig wurde sogar der gegnerische Torwart im Bogen angelaufen, um die Passoption zum Innenverteidiger abzuschneiden. Nicht selten sieht man in Videosequenzen allerdings auch relativ große Abstände zwischen den eigenen Mannschaftsteilen, wodurch der Gegner beim Überspielen der ersten Pressinglinie viel Raum im Mittelfeld vorfand.
Matthias Kohler zum 1. FC Nürnberg?
Die Vita von Matthias Kohler ist zweifelsfrei extrem spannend, würde aber dennoch keinen großen Hype im Cluberer Umfeld auslösen – obwohl er über viel Erfahrung in der Jugendarbeit verfügt. Zu enttäuschend war der Punkteschnitt bei seiner letzten Station auf den ersten Blick. Angesichts der Kaderstärke performte er inhaltlich in Voldenam aber gar nicht so schlecht, wie diese vermuten lässt. In Basel war der Punkteschnitt gut, in Trencin wiederum nicht. Inhaltlich weiß man relativ klar, was man von Kohler bekommen würde – mit all seinen Chancen und Risiken. Dass Chatzialexiou den jungen Trainer noch aus DFB-Zeiten kennen dürfte, kann man so oder so bewerten. Von einer Einigung scheint man ohnehin noch ein gutes Stück entfernt zu sein. Sollte Klarheit in der Personalie Kohler herrschen, wird der CLUBFOKUS sicherlich nochmal näher auf die Personalie blicken.
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