Nürnbergs Qualität wird zu Nürnbergs Problem
Die letzten beiden Partien auf Schalke und gegen Paderborn brachten viele Erkenntnisse. Unter anderem, dass der 1. FC Nürnberg gut Fußball spielen kann – vor allem, wenn der Gegner nicht konsequent mit allen Spielern hoch presst und dementsprechend Räume anbietet. Das wussten beziehungsweise realisierten aber auch Schalke und Paderborn. In der Folge verteidigten sie sehr tief und hielten die Räume hinter der eigenen Abwehr sehr eng. Der Weg bis in das letzte Drittel war für den Club nicht das Problem – jeweils 84% der Zuspiele in das Angriffsdrittel kamen an, was deutlich über dem Nürnberger Saisonschnitt von 67% liegt. Im letzten Drittel wurde es gegen die tiefen Abwehrketten aber dünn, was sicherlich auch nicht die leichteste Disziplin im Fußball ist. „Je tiefer sie stehen, desto schwerer hast du es dann.“ – erklärt auch Fiél nach der Partie.
Mehr als nur direkte Duelle?
Der Club-Trainer monierte vor allem die nicht gewonnenen entscheidenden Duelle im letzten Drittel. Das ist natürlich absolut richtig, aber nur ein Teil der Nürnberger Probleme. Ein weiteres war der nicht immer gut besetzte Raum im Zentrum vor der Box. Flick ist am Ball, 6 Nürnberger sind hoch positioniert, aber nahezu auf einer Linie und somit ohne gute Staffelung. Dadurch hat es auch Paderborn leicht und kann im tiefen Block verweilen. Am Ende versucht Flick den Chipball, der nicht ankommt.
Mitunter spielte man auch zu früh den Ball auf den Flügel, sodass es nicht zu isolierten 1-gegen-1-Situationen kam, sondern man sich sogar in Unterzahl am Flügel befand, was es logischerweise ungleich schwerer macht, den Durchbruch in die Box zu schaffen. Siehe diese Szene aus dem Spiel gegen Paderborn, als Hungbo von Gyamerah angespielt wird und dann das Duell sucht. Unterstützt wird er von Duman – Kiel ist aber mit 3-gegen-2 in Überzahl.
In dieser Situation ist deutlich zu viel Raum komplett unbesetzt. Kommt die Flanke auf den zweiten Pfosten und Goller kommt nicht an den Ball, ist der Ball zu 100% bei Paderborn. Flanken aus dieser Situation sind aber nicht das Nürnberger Spiel, was Gollers Positionierung nicht wirklich verständlicher macht. Er steht sehr hoch und macht auch seinem Gegenspieler Zehnter die Entscheidung dadurch leicht, hinten einzuschieben. Würde Goller sich etwas tiefer stellen und der Ball käme in das Zentrum, könnte er immer noch den Sprint in die Tiefe suchen.
Das Thema Präzision in den entscheidenden Momenten ist zweifelsfrei auch nicht von der Hand zu weisen. Nicht selten verbaut man sich aussichtsreiche Situationen durch unnötige Ballverluste in Form von technischen Unsauberkeiten. Paradebeispiel war die Szene auf Schalke, als sich Gyamerah durch das Mittelfeld dribbelt, aber sein Abspiel in den Rücken von Goller kommt, anstatt in den Lauf.
Ebenso ist das Thema Entscheidungsfindung nicht von der Hand zu weisen. In diesem Fall versucht Schleimer den schwierig bis unmöglichen Pass in die Tiefe auf Lohkemper, obwohl Flick freisteht, der in der Folge wohl auch auf Brown hätte rausspielen können. Schleimers Pass kam wenig überraschend nicht an.
Nicht wenige erfolgreiche Teams agieren nach dem Prinzip der „minimalen Breite“, was bedeutet, dass sich Spieler nur so breit wie nötig anbieten sollen, um unter anderem die Passabstände möglichst gering zu halten. Zumindest phasenweise war dies beim Club aber zu extrem. Wie in der unten abgebildeten Szene, in welcher auch die Spieler der linken Seite, also Brown und Okunuki, komplett in das Zentrum einschieben. Der Raum dahinter ging auf, war aber dementsprechend auch nicht vom FCN besetzt und wurde auch nicht belaufen.
Geduld – beim Knacken von kompakten Abwehrreihen umso wichtiger. Leider verliert man – gerade, wenn es nicht läuft – in solchen Fällen häufig die Geduld. Vor allem auf Schalke sah man das häufig, als zu oft aus der Distanz der Abschluss gesucht wurde. Auch in dieser Szene hätte Okunuki den Ball stattdessen auf Gyamerah, Castrop oder sogar auf Schleimer chippen können. Sein Abschluss wurde am Ende geblockt und Schalke konnte sich befreien.
Zur Wahrheit gehört definitiv, dass nur aufgrund von 3 Partien ohne Tor nicht alles schlecht im Nürnberger Offensivspiel ist. Gegen Paderborn stellte man mit 32 Ballaktionen im gegnerischen Strafraum den eigenen Saisonrekord auf. Aber zweifelsfrei erkennt man in vielen Situationen fehlendes Selbstvertrauen, fehlenden Mut und falsche Entscheidungen, was die obigen Szenen unterstreichen. Dass man in einer solchen Lage auch das Spielglück nicht auf seiner Seite hat, ist typisch Fußball. Dass man zu viele einfache Gegentore kassiert, ist vermutlich noch der viel schwerwiegendere Faktor als das Spiel im letzten Drittel. Denn wie immer im Fußball entscheiden alle Spielphasen über Erfolg oder Misserfolg.
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