FCN auch in Berlin mit Defensiv-Taktik?

Zuletzt wählte der 1. FC Nürnberg gegen Magdeburg und St. Pauli eine sehr defensive Herangehensweise. Könnte dies auch der Schlüssel zum Sieg gegen eine torgefährliche Hertha sein? Der CLUBFOKUS gibt Antworten bezüglich Taktik, Aufstellungen sowie Stärken und Schwächen des Gegners. Vorbericht zum 27. Spieltag der 2. Bundesliga.

1. FC Nürnberg Analyse Spielvorschau 2. Bundesliga HErtha BSC
Foto: fcn.de

Nürnberg trifft auf Tabellennachbarn

Nachdem der Club vor der Länderspielpause gegen den Spitzenreiter St. Pauli unterlag, reist man nun zu einem Gegner, der sich auf Augenhöhe befindet. Zumindest tabellarisch. Denn die Hertha steht nach 26 Spieltagen mit 37 Punkten lediglich einen Rang vor dem 1. FC Nürnberg auf Platz 9 in der Tabelle. Wirft man einen näheren Blick auf den Berliner Kader, relativiert sich die „Augenhöhe“ vermutlich schon wieder. Denn die Hertha stellt nicht nur den laut transfermarkt wertvollsten Kader der Liga, sondern auch einen der individuell am besten bestückten. Vor allem das Offensiv-Duo Fabian Reese und Haris Tabakovic hat es in sich. Zusammen bringen es die beiden auf unfassbar starke 37 Scorerpunkte in dieser Saison.

Hertha auf der Suche nach Konstanz

Die Saison befindet sich bereits im letzten Viertel – und dennoch tut man sich nach wie vor schwer, die eigenen Anhaltspunkte und Muster konstant auf den Platz zu bringen. Offensichtlich ist, dass man sich mehr als Umschaltmannschaft sieht und nicht dafür bekannt ist, den Ball lange in den eigenen Reihen haben zu wollen. Die Idee im Spielaufbau ist klar: das gegnerische Pressing mit schnellem, pragmatischem Vertikalspiel aushebeln – aus der oberen Tabellenhälfte spielt kein Team weniger Pässe im Spielaufbau. Häufig ist es der lange Ball, den man über die eigene rechte Seite initiiert, auf Zielspieler Tabakovic, von wo aus die Ablage auf den linken Flügel und Reese erfolgen soll. 68% der Herthaner Tore resultieren in der Folge aus Angriffen über die linke Spielfeldseite. Gegen den Ball formiert sich die Hertha relativ tief und abwartend. Nach Balleroberung soll es möglichst schnell in die Tiefe gehen. Nur der KSC (13) erzielte bisher mehr Tore nach Balleroberungen als die Hertha (11).

Klares Muster im Berliner Spielaufbau: von der rechten Seite ausgehend den kurz kommenden Tabakovic steil anspielen, der wiederum für einen dritten nachrückenden Mitspieler klatschen lässt. Durch eine Spielverlagerungen kann der auf der linken Seite isolierte Reese seine großen Stärken im 1-gegen-1 ausspielen.

Abschlussstärke und Frühstarter

Dass die Hertha aus 40 Expected Goals 50 Treffer erzielen konnte, zeigt die individuelle Qualität der Angriffsreihe. Umso deutlicher wird es, wenn man bedenkt, dass die Hertha die drittwenigsten Abschlüsse der Liga abgibt und dennoch die drittmeisten Treffer der ganzen 2. Bundesliga für sich verzeichnen kann. Viele dieser Treffer erzielt die Hertha noch vor der Halbzeit. Wäre nach 45 Minuten Spielende, wäre die Dardai-Elf mit 15 Halbzeit-Führungen sogar Spitzenreiter. Das zeigt, dass der Berliner Matchplan zumindest über Phasen immer wieder aufgeht.

Passivität & Probleme mit tiefen Blocks

Umso schwerer tut man sich, auf gegnerische Umstellungen zu reagieren. Denn in der Tabelle der 2. Halbzeit liegt die Hertha auf Platz 16. Verändert der gegnerische Trainer etwas, findet die Mannschaft oftmals keine Lösungen dagegen. Obwohl die Hertha zur Halbzeit häufig ihre gewünschtes Spielszenario als Umschaltmannschaft – der Gegner muss einen Rückstand aufholen – vorfindet, gab man bereits 14 Punkte nach Führungen her. Zu häufig verfällt man phasenweise in tiefste Passivität und lässt sich weit in die eigene Spielhälfte fallen.


„Ich will nicht Konter spielen, indem ich den Ball am eigenen Sechzehner gewinne & übers ganze Feld kontere. Ich will im Mittelfeldblock den Ball erobern & umschalten. Im Ballbesitz vertikal spielen, nach Ballverlust Gegenpressing und umschalten.“

Pal Dardai
kritisiert die Passivität seiner Spieler


Ähnlich problematisch wird es, wenn die Hertha selbst das Spiel gestalten muss. Man tut sich schwer, gegen tief verteidigenden Blocks Lösungen im letzten Drittel zu finden. Als jüngste Beispiele dienen die Partien gegen Braunschweig, Wiesbaden und Osnabrück. Jeweils verzeichnete man mehr Spielanteile als das Gegenüber und konnte keines der drei Spiele gewinnen.

Fabian Reese: zu gut für die 2. Bundesliga?

Wenige Teams sind so sehr von der individuellen Qualität und von der Durchsetzungskraft eines Spielers abhängig wie die Hertha von Fabian Reese. Der Linksaußen geht extrem häufig ins Dribbling und schlägt im Anschluss viele Flanken – sogar die meisten der Liga – in die gegnerische Box. Verfügt Reese über Raum, ist er im 1-gegen-1 kaum aufzuhalten. Seine Mischung aus Dynamik und Physis sowie die Möglichkeit, sowohl links und rechts am Gegenspieler vorbeizugehen, macht ihn unberechenbar. 6 Tore und 12 Torvorlagen in 23 Einsätzen sprechen für sich.

Nürnbergs Schlüssel: Kompaktheit und gutes Verschieben

Entscheidend wird es für die Fiél-Elf am Samstagabend sein, die zuletzt entdeckte Lust am kompakten Verteidigen beizubehalten. In der Folge sollte die Hertha Probleme bekommen, sich viele Durchbrüche in gefährliche Räume zu erspielen. Gleichzeitig ergeben sich durch die teils großen Berliner Abstände im Spiel nach vorne immer wieder aussichtsreiche Umschaltaktionen für den Club, der seine wenigen bereits beim letzten Auswärtsspiel in Magdeburg – bis auf den letzten Pass – gut ausspielen konnte. Aufpassen muss man in der Defensive vor allem auf Verlagerungen auf die rechte Defensivseite. Hier wird es entscheidend sein, im richtigen Moment von innen nach außen zu schieben und Reese so keinen Tempovorsprung im direkten Duell zu ermöglichen. Möglicherweise wird hierfür Jens Castrop wie schon in der ersten Halbzeit in Magdeburg wieder verstärkt auf der rechten Abwehrseite Unterstützung leisten müssen. Zumal sich Ibrahim Maza als zentral offensiver Mittelfeldspieler gerne nach halblinks fallen lässt, um mit Reese zu kombinieren.

Wer will den Ball?

Es wird spannend zu sehen, welcher der beiden Mannschaft das Kommando übernehmen wird. Schließlich überließen beide zuletzt vorzugsweise dem Gegner den Ball, um kompakt verteidigen zu können. Eine derart defensive Herangehensweise wie zuletzt im Heimspiel gegen St. Pauli wird es auf Nürnberger Seiten allerdings nicht geben, wie FCN-Trainer Fiél andeutete.


„Natürlich wollen wir aktiver sein, als wir es gegen St. Pauli waren. [..] Das könnte gegen Hertha anders aussehen, ja.“

Cristian Fiél
auf die Frage, ob man wieder proaktiver agiere


Gleichzeitig erwartet Fiél einen Gegner, der die Möglichkeit nutzen will, nochmal an die Aufstiegsränge heranzurücken. Demzufolge steht man vor der komfortablen Situation, der Hertha den ungeliebten Ballbesitz überlassen zu können, um selbst auf Umschaltmomente zu gehen.

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