Dominantes Magdeburg: kein Problem, außer…
Der 1. FC Magdeburg kontrollierte von Beginn an den Ball und war dadurch optisch das überlegene Team. Am Ende des Spiels stehen sogar 77% Ballbesitz bei der Titz-Elf zu Buche. Viele Clubfans, die den FCM noch nicht so häufig haben spielen sehen, werden sich über diese extreme Feldüberlegenheit gewundert haben. Zweifelsfrei hätte der 1. FC Nürnberg in der Anfangsphase 1-2-mal öfter den richtigen Moment für eine Balleroberung finden können, aber das ist gegen Magdeburg extrem schwierig. Sie hatten in jedem Ligaspiel bislang einen höheren Ballbesitzanteil als der Gegner. Das war sicherlich auch von Cristian Fiél und dessen Trainerteam einkalkuliert. Das einzige Problem war die rechte Nürnberger Defensivseite. Der wendige 1-gegen-1-Spieler Tatsuya Ito, der am Ende auch die meisten Dribblings (10) der Partie verzeichnet, kam häufig in isolierte Situationen gegen Jan Gyamerah. Unter anderem weil der Club Magdeburgs El Hankouri, der sich als nomineller linker Schienenspieler häufig in den Halbraum fallen lies, nicht so wirklich in den Griff bekam.
Nürnbergs tiefes Verteidigen im 4-4-2 egalisiert Magdeburgs Stärken
Es dauert aber nicht lange, bis der 1. FC Nürnberg auf die Probleme in der Anfangsphase reagierte. War es zu Spielbeginn noch überwiegend das 4-3-2-1 mit Uzun und Goller auf den Halbpositionen hinter Sebastian Andersson, änderte sich dies bald. Zumindest je nach Pressinghöhe kam es häufig zu einem 4-4-2, indem sich Goller etwas tiefer positionierte und so besseren Zugriff auf El Hankouri bekam. Das restliche Spiel über wechselte der Club hier immer wieder und zeigte sich dementsprechend flexibel. Apropos flexibel: das war auch der Gegner. Extrem viele Positionsrochaden, sodass es eine gute Struktur und Raumaufteilung in der Defensive braucht. Diese gab es auch beim FCN, der am Ende lediglich 0,5 Expected Goals zulässt.
Cluberer Umschaltspiel gegen Magdeburgs Mannorientierungen
Es dauerte eine Weile, bis der FCN selbst in der Offensive vorstellig wurde. Und es dauerte sogar noch länger, bis es zur ersten ruhigen Ballbesitzphase im Nürnberger Spiel kam. Und dennoch strahlte man öfter Torgefahr aus, als es die mageren 5 Abschlüsse vermuten lassen. Gar nicht so selten konnte man das extrem mannorientierte Magdeburger Angriffspressing umspielen und kam so in die nächste Ebene des Spielfeldes. So beispielsweise auch in der 25. Minute, als Castrop mit einem schönen Chipball Goller bediente, der halblinks durchsteckte. Uzun verwandelte im Nachschuss, stand aber im Abseits. Ein Durchlassen auf Wekesser, der aus der Tiefe kam, wäre die richtige Option gewesen. Übrigens auch typisch, dass Benni Goller so ein Scorerpunkt „geklaut“ wurde, aber das nur am Rande. Nur wenige Sekunden später war der Ball wieder im Magdeburger Tor. Diesmal war es aber Andersson, der nach Castrops Ball an den langen Pfosten knapp im Abseits stand. Es hätten durchaus noch mehr Situationen im Laufe des Spiels sein können. Aber oftmals fehlten Kleinigkeiten. Nicht selten kam man in 4-gegen-4- oder 5-gegen-5-Situationen, machte aber daraus zu wenig. Mal war ein Kontakt zu unsauber, mal fehlte der letzte Pass oder es war eben Abseits.
Fiéls Umstellung: Perfect Match für den Club
Zur 2. Halbzeit vollzog Fiél eine taktische Umstellung, die sich schon vor der Pause andeutete. Nachdem Jens Castrop den gelb-verwarnten Jan Gyamerah schon Ende des ersten Durchgangs auf dem Flügel gegen den flinken Ito unterstützte, übernahm er nun dauerhaft die Rolle des Rechtsverteidigers. Die Idee dahinter war klar: das ohnehin schon linkslastige Spiel des FCM sah es vor, Ito weiterhin in 1-gegen-1-Duelle mit dem vorbelasteten Gyamerah zu schicken. Allerdings nicht mit Fiél. Durch die Umstellung des Kapitäns ins Zentrum ging er zum einen den vielen Dribblings aus dem Weg. Zum anderen konnte er mit seiner Druckresistenz häufiger zum Überspielen des Magdeburgers Pressings beitragen. Gleichzeitig bekam es Ito mit der hohen Aggressivität im Zweikampf von Castrop zu tun, was offensichtlich ein gutes Match aus Nürnberger Sicht war. Waren es in Halbzeit 1 noch 5 gewonnene Dribblings Itos, so waren es in Halbzeit 2 nur noch 2. Castrop hingegen konnte seine Bilanz von einem gewonnen Defensiv-Zweikampf in Halbzeit 1 auf ganze 6 in Halbzeit 2 verbessern.
Perfektes Zusammenspiel, perfektes Tor
Als man dachte, beide Mannschaften würden sich mit dem torlosen Remis zufriedengeben, entschied Jannes Horn, das Spiel nochmal in eine entscheidende Richtung zu schubsen. Erst dribbelte er den freien Raum vor sich bis zur Mittelinie gut an, um dann Nathaniel Brown zu seinem Glück förmlich zu zwingen. Der in der Breite lauernde Linksverteidiger schien nicht unbedingt mit einem Tiefenpass zu rechnen. Doch aufgrund der hohen Qualität dieser Horn-Idee war Brown gewissermaßen gezwungen, zu einem 34,6 km/h-Sprint anzusetzen und den FCM-Verteidiger Bockhorn hinter sich zu lassen. Was auch FCN-Trainer Fiél erfreute war, wie er im Zweikampf den Ball behauptete und dadurch den Ball ablegen konnte. Nachdem der eingewechselte Schleimer den Pass clever passieren ließ, vollbrachte Can Uzun Uzun-Dinge: aus dem Rückraum kommend in die gefährlichen Zonen stoßen und den Ball eiskalt mit dem rechten Innenrist ins lange Eck schieben. Ein perfekt vorgetragener Angriff, da alle vier beteiligten Club-Spieler in dieser Szene alles richtig machten.
Nathaniel Brown: Sprinter & Zweikampfmonster
An dieser Stelle sei das starke Spiel von Nathaniel Brown – insbesondere gegen den Ball – erwähnt. Es lag sicherlich auch an seiner Zweikampfstärke, dass der 1. FC Magdeburg vermehrt die linke Angriffsseite forcierte. Immer wieder verteidigte er gegen den ballführenden Magdeburger aggressiv nach vorne und ließ kaum Zeit zur Ballkontrolle. Dies schlug sich auch in der Statistik dieses Spiels nieder. Denn Brown gewann überragende 12 von 13 und damit 92% seiner Defensiv-Duelle. In Verbindung mit seinen 8 Klärungsaktionen war Brown bzgl. statistischer Quantität und Qualität der Defensiv-Aktionen bester Mann auf dem Platz. Umso schöner, dass er sich und die Mannschaft mit diesem starken Lauf vor dem goldenen Siegtreffer belohnen konnte.
Defensive Masterclass bringt 3 Punkte
„Gut Räume zu besetzen, weil sie so variabel sind.“
Cristian Fiél
auf der PK vor dem Spiel gegen Magdeburg.
Mit lediglich 23% Ballbesitz am Ende zumindest kaum gefährliche Torraumszenen zuzulassen – Chapeau, 1. FC Nürnberg! Das Zitat beziehungsweise der Plan von Cristian Fiél, gut in den Räumen zu stehen und sich nicht locken zu lassen, ging extrem gut auf. Man lies sich zu keiner Zeit locken und wartete geduldig auf aussichtsreiche Situationen für Balleroberungen. Durch die sehr variable und dominante Magdeburger Spielweise ist dies nicht nur eine physische, sondern auch psychische Dauerbelastung, da du immer schauen musst, wohin sich der Gegner bewegt, aber zudem den eigenen Raum im Blick hast. Mit sehr engen Abständen, vielen guten taktischen Feinheiten und Umstellungen gestand man der Heimmanschaft extrem wenig zu und zeigte, dass man mittlerweile im tiefen Verteidigen schlicht und ergreifend sehr gut ist.
Dank geschlossener Mannschaftsleistung des FCN: Traum von mehr?
Letztendlich war es eine geschlossene Mannschaftsleistung, die dem 1. FC Nürnberg drei Punkte bescherte. Das Innenverteidiger-Duo aus Horn und Jeltsch scheint wie füreinander gemacht. Dahinter und davor agierten Klaus im Tor und Flick auf der Sechs als Stabilisatoren der FCN-Defensive. Lediglich über die Rückraum-Verteidigung bei Standards sollte noch einmal gesprochen werden. Denn hier kamen zuletzt nicht nur die Magdeburger zu gefährlichen Aktionen. Ebenso würde ein konsequenteres Ausspielen der Kontermöglichkeiten der Mannschaft vieles erleichtern.
Nichtsdestotrotz überwiegen natürlich die positiven Aspekte nach diesem Auswärtserfolg beim 1. FC Magdeburg. Durch den Sieg rückt man 5 Punkte auf Rang 3 heran und positioniert sich damit im Schatten der inkonsistenten Relegationsplatz-Anwärter. Da der Abstieg nun endgültig ad Acta gelegt worden sein dürfte, sollte träumen erlaubt sein. Dafür bedarf es allerdings beim kommenden Heimspiel gegen den Tabellenführer FC St. Pauli einer ähnlich stabilen Defensiv-Leistung. Wenn Cristian Fiél und seine Mannschaft bis dahin weiter an den Details feilen, ist es nicht unrealistisch, dass die Club-Fans auch über die danach anstehende Länderspielpause hinaus träumen dürfen.