Ohne Stürmer
Nach sechs Pflichtspielen ohne Sieg war der Druck im Topspiel zwischen dem 1. FC Nürnberg und dem VfL Bochum denkbar groß. Die Gäste hatten in den Tagen zuvor auf den Fehlstart reagiert und unter anderem Dieter Hecking freigestellt, sodass der vorherige U19-Trainer David Siebers auf der Bank Platz nahm. Beim FCN hingegen vertraute man auch nach der Misere weiterhin auf Miroslav Klose.
Dieser schickte zusammen mit seinem Trainerteam eine überraschende Startelf ins Rennen. Schließlich lief mit Rafael Lubach ein Mittelfeldspieler als nominelle Sturmspitze auf. Dadurch kam Adam Markhiev zu seinem Startelfdebüt, während Mickael Biron nach schwacher Leistung in Karlsruhe diesmal krankheitsbedingt fehlte.
Kurz erkennbar
Die Bochumer kündigten zuvor an, mit viel Intensität, Pressing und Gegenpressing aufzutreten. Davon war – wenn überhaupt – in der Anfangsphase etwas erkennbar. Hier kam man noch zu der ein oder anderen Balleroberung in der Nürnberger Hälfte. Früh war jedoch klar, dass der Club die bessere Spielanlage und auch die besseren Fußballer hatte. Dennoch gestand man den Gästen zunächst zu viele Einwürfe und Eckbälle zu, bei denen sie versuchten, ihre Körpergröße gewinnbringend einzusetzen.
Anders als zuletzt verteidigte der FCN diese Standardsituationen aber deutlich besser. Ähnliches galt für die gegnerischen Flügeldurchbrüche. Nachdem die Klose-Elf bei Hereingaben in Karlsruhe sehr schlecht aussah, war dies nun verbessert. Zwar kam Bochum immer mal wieder über Wittek und Holtmann über den linken Flügel durch, im Strafraum war unter anderem die 3+1-Boxverteidigung diesmal aber deutlich koordinierter und kompakter, sodass der Gegner keine klaren Abschlüsse verzeichnen konnte.
Kontrolle
Mit fortlaufender Spieldauer übernahmen die Nürnberger auch in der ersten Halbzeit bereits das Kommando. Hierfür setzte man auf ein 4-1-4-1. Lubach ließ sich immer wieder ins Mittelfeld fallen. Dagegen fand der Gegner nur wenig Mittel, da dessen Fünferkette nahezu nie nach vorne durchverteidigte, sodass die Räume zwischen Abwehr und Mittelfeld groß waren. In diesen Zwischenräumen waren unter anderem Lubach oder Finn Ole Becker oft anspielbar, um daraus Steil-Klatsch-Aktionen oder das direkte Aufdrehen zu ermöglichen.
Noch nicht zwingend genug
Dass man ohne wirklichen Stürmer auflief, sah man aber auch. Zwar kam man im Übergangsspiel häufig vor die gegnerische Abwehr, entwickelte in der Folgeaktion aber noch zu wenig Zug zum Tor. Verteidigte Bochum tief im eigenen Strafraum, war die Boxbesetzung und das Einlaufen in diese ebenfalls noch ausbaufähig. Als Fabio Grubers Kopfballtreffer wegen knapper Abseitsentscheidung aberkannt wurde, war auch das Glück nicht auf Nürnberger Seite. Dennoch sah man schon hier, dass das Selbstvertrauen bei den Franken trotz der schwachen Ergebnisse durchaus vorhanden war. Allerdings trafen zu viele Spieler nicht die richtige Entscheidung, um daraus Kapital zu schlagen. Unter anderem spielte Becker einmal Lubach ins Abseits, anstatt den freien Julian Justvan in die Tiefe zu schicken.
Breite Spielanlage
Nach der Pause verlagerte sich das Spiel immer mehr in die Hälfte des VfL. Erneut überraschte Klose personell. Lubach musste mit einem Pferdekuss ausgewechselt werden, wofür Artem Stepanov ins Spiel kam. Er übernahm jedoch die linke Außenbahn, während Mohamed Ali Zoma ins Sturmzentrum rückte. Apropos Außenbahn: Auch diese spielte im Nürnberger Matchplan eine wichtige Rolle. Der Club besetzte die Flügel nämlich sehr breit, was im Spiel der Franken nicht immer zu sehen war.
Dadurch brachte man auf der rechten Seite Justvan und auf der linken Seite erst Zoma und später Stepanov in viele 1-gegen-1-Situationen. Auch die Bochumer Abwehr wurde dadurch sehr breit gezogen, wodurch Zwischenräume entstanden. Kombiniert mit vielen Fehlern – unter anderem von Vogt oder Strompf – in der Bochumer Hintermannschaft erschien es nur eine Frage der Zeit, bis die vielen Durchbrüche vor und hinter die gegnerische Abwehr im FCN-Führungstreffer münden würden.
Erlösung
In der 68. Minute war es dann endlich soweit. Einen zweiten Ball sammelten die Nürnberger ein. Beckers Pass in die Tiefe konnte von Justvan auf der rechten Seite erlaufen werden. Nach einem gewonnenen Dribbling gegen Strompf folgte der überzeugende Abschluss ins lange Eck zur verdienten Führung.
Im Spiel gegen den Ball hatte man nach der Pause gar keine Probleme. Aus dem 4-1-4-1 schob der Club wie in der Vorwoche den ballnahen Achter im Pressing weit nach vorne, was zum frühzeitigen langen Ball führte. Hierfür war Adam Markhiev, der ein sehr souveränes und gutes Spiel absolvierte, relativ nahe vor der Abwehr positioniert. Die Tiefe bedrohten die Gäste zudem kaum.
Verwechselt?
Nach dem Führungstreffer signalisierte Justvan, dass er aufgrund von Krämpfen lieber Platz für einen frischen Spieler machen würde. So wechselte Klose ihn in der 74. Minute aus und brachte Tim Janisch. Etwas überraschend ging der gelernte Offensivspieler jedoch nicht auf die Position im rechten Mittelfeld, sondern zurück in die Viererkette, und Henri Koudossou rückte dafür eins nach vorne.
Der Trainer erklärte im Nachgang, dass er dies nach Absprache mit Javier Pinola und Jens Bauer tat, um den frischen Spieler lieber in der Defensive zu haben. Diese Entscheidung dürfte er zwischenzeitlich bereut haben, da Janisch in der 85. Minute seinen Gegenspieler mit den Händen zog und so einen Foulelfmeter verursachte. Als Sissoko diesen zum Ausgleich verwandelte, machte sich die Verzweiflung bei dem ein oder anderen Fan im Max-Morlock-Stadion bereits breit.
Heimsieg
Die Diskussionen um diesen Wechsel wären sicherlich deutlich größer und kritischer ausgefallen, wenn es beim Unentschieden geblieben wäre. So kam es aber nicht. Denn der eingewechselte Adriano Grimaldi hatte in der 92. Minute das Schlusswort, als er nach einem Yilmaz-Freistoß zum Sieg einköpfte. Damit stand der erste Heimsieg seit über einem halben Jahr fest – mit einer Leistung, die wenig mit der eines Tabellenletzten zu tun hatte.
Qualität
Neben dem Ergebnis, das am Ende über allem stand, gab es auch darüber hinaus einige positive Erkenntnisse. Unter anderem der Einsatz von Markhiev, der sowohl im Spiel mit Ball als auch gegen den Ball einen großen Mehrwert als Sechser lieferte. Die gegnerische Körpergröße schaffte man diesmal gut zu verteidigen – auch bei ruhenden Bällen. Auch die strukturellen Änderungen sowie das 4-1-4-1 mit klar besetzten Flügeln taten dem Nürnberger Spiel gut. Zulegen muss man nach wie vor in den Abläufen im letzten Drittel, um aus dem vielen Ballbesitz noch mehr Ertrag und klare Abschlüsse zu kreieren.
Interessant wird sein, wie unter anderem die Sturmbesetzung in der kommenden Woche aussehen wird. Am Ende steht jedoch ein absolut verdienter Heimsieg gegen einen sehr schwachen VfL Bochum, wozu am Ende aber ja bekanntermaßen beide Teams gehören.