Fiéls Matchplan geht 25 Minuten lang (fast) perfekt auf
Insbesondere in der Anfangsphase des Derbys schien es so, als hätte FCN-Trainer Cristian Fiél seine Mannschaft perfekt auf die heimstarke SpVgg Greuther Fürth eingestellt. Zwar ließ die erste ruhige Ballbesitzphase in dieser Partie für den Club gegen dominante Fürther einige Minuten auf sich warten. Jedoch verteidigte man sehr kompakt in einem 4-4-2, indem man die Abstände eng hielt und wenig Lücken bot. Anders als in den letzten Wochen agierten die beiden Außenverteidiger im Spiel mit Ball nicht invers, wodurch bei möglichen Ballverlusten der Flügel besetzt war. Stattdessen positionierte sich im Spielaufbau oftmals Jens Castrop tiefer neben Florian Flick. In ersten halben Stunde spielte Castrop sogar mehr als doppelt so viele Pässe wie Flick. Allerdings war es ein sehr starker Diagonalpass von Flick auf Benjamin Goller, der das frühe 1:0 durch Andersson einleitete. Dieser Spielzug schien die Nürnberger Angriffstaktik bei Balleroberungen zu sein. Das nominelle 3-4-1-2 der Fürther transformierte sich im Ballbesitz zu einem 2-2-4-2. Während der linke Halbverteidiger Maximilian Dietz ins Mittelfeld hochschob, konnte Green mehr Freiheiten nach vorne als linker Halbzehner genießen. Weil die beiden Schienenspieler – speziell Luca Itter auf links – sehr hoch positioniert waren, war es sein probates Mittel aus Nürnberger Sicht, die linke Fürther Abwehrseite mit Diagonalpässen auf den schnellen Goller zu attackieren. Diese Marschroute erfuhr in der 25. Minute beinahe Vollkommenheit, als Goller nach schnellem Konter mit der bereits dritten Großchance der Cluberer am Pfosten scheiterte.
Die unglücklichsten 10 Minuten der Saison?
Beginnend mit dem Pfostentreffer folgten auf mit die vielleicht stärksten 25 Minuten wohl die unglücklichsten 10 Minuten in dieser Saison. Denn nur 2 Minuten später kam das Kleeblatt zum Ausgleichtreffer, dem ein Nürnberger Kommunikationsfehler vorausging. Obwohl Flick bereits an Julian Green dran war, verteidigte der in diesem Frankenderby ansonsten so starke Finn Jeltsch ebenfalls nach vorne auf Green. Dadurch öffnete sich in Jeltschs Rücken eine Lücke, die letztendlich das 1:1 durch Sieb ermöglichet. Dass der Ball sowohl bei Green gegen zwei Nürnberger als auch nach Valentinis Abwehraktion jeweils wieder bei der Heimelf landete, ließ das Fürther Kleeblatt in dieser Szene vierblättrig werden. Nichtsdestotrotz ist der Fürther Ausgleich nicht nur auf Glück zu reduzieren. Schließlich wurde die Zorniger-Elf mit zunehmender Spieldauer durch ihr bewegliches Zentrum um Lemperle, Sieb, Hrgota und Green immer gefährlicher. Ebenso war es kein Zufall, dass die für das Gegenpressing so gut positionierten Fürther viele zweite Bälle aufnahmen.
In der 34. Minute ereignet sich der wohl spielentscheidende Moment: Jens Castrop sieht nach seinem zweiten Foulspiel der Partie die Gelb-Rote-Karte. Während er bei seinem ersten Vergehen absolut berechtigt verwarnt wurde, war die zweite gelbe Karte durchaus fragwürdig. Zumal Green sein Bein ausfährt und den Kontakt provoziert, hätte man sich etwas mehr Fingerspitzengefühl von Schiedsrichter Robert Schröder gewünscht. Denn mit diesem Platzverweis ging das Frankenderby in eine klare Richtung. Somit schlug innerhalb von 10 Minuten das Nürnberger Pendel von einer vermeintlichen 2:0-Derbyführung zu einer 60-minütigen Unterzahl bei heimstarken Fürthern.
Warum die Uzun-Auswechslung nachvollziehbar ist
Auch das CLUBFOKUS-Team stellte kurz vor der Halbzeit Überlegungen an, wie Cristian Fiél wohl auf diesen Platzverweis reagieren könnte: Andersson war nicht nur wegen seines Treffer gut im Spiel, machte viele Bälle für seine Mannschaft fest. Goller war mit seinem Tempo eine wichtige Umschaltoption. Der laufstarke Wekesser arbeite viel gegen den Ball. Demzufolge brachten alle drei genannten durchaus wichtige Komponenten für ein Spiel in Unterzahl mit. Aus diesem Grund wäre auch beim CLUBFOKUS die Wahl bei der Auswechslung auf Can Uzun gefallen. Dass das Spiel gegen den Ball, das bei 29% Ballbesitz im Vordergrund stand, nicht zu seiner Paradedisziplin zählt, ist hinlänglich bekannt. Gleichzeitig wäre seine große Stärke im Angriffsdrittel angesichts der Statik des Spiels ohnehin schwer einzusetzen gewesen. Zudem kam mit Johannes Geis ein defensiver Mittelfeldspieler in die Partie, der die für den Matchplan vorgesehenen Diagonalpässe wie kein Zweiter im Club-Kader beherrscht.
„Was man dann einfach sagen muss, ist, dass Fürth die Überzahl richtig gut ausgespielt hat.“
Cristian Fiél
über das Frankenderby in Unterzahl.
Fürth mit klarem Linksfokus und klarem Plan dahinter?
Dass der eingewechselte Geis jene Diagonalpässe auf den schnellen Goller spielen könnte, wusste Trainer Zorniger mit seiner Mannschaft zu verhindern. Die druckvoll aus der Pause kommenden Fürther initiierten in der Viertelstunde nach der Halbzeit ca. 75% ihrer Angriffe über die linke Seite. Einerseits ist dies ohnehin die bevorzugte Angriffsseite des Kleeblatts. Andererseits ließ sich der nominelle rechte Halbzehner Hrgota ebenfalls weit auf links fallen, weshalb in Verbindung mit dem statistischen Beweis des Linksfokus ein Plan dahinter zu vermuten war. Möglicherweise hatte man eine Schwäche auf der rechten Nürnberger Abwehrseite ausgemacht. Gleichzeitig wurde dadurch die gefühlt einzig Umschaltoption der Nürnberger stark in der Defensive gebunden: statt auf der ballfernen Seite auf Konterangriffe zu lauern, war Goller stets in die unmittelbare Abwehrarbeit eingebunden.
Kaum Offensive und Risiko in Unterzahl
Tatsächlich verteidigte der Club es aber auch in Unterzahl lange gut. Die Zorniger-Elf übte zwar Dauerdruck aus, erspielte sich aber nur wenig klare Abschlüsse. Leider gab es ein großes Aber. Der FCN blieb nämlich im 2. Durchgang komplett ohne eigene Offensivaktion. Man kam kaum noch aus dem eigenen Drittel heraus und verlor viele Bälle gegen das starke Fürther Gegenpressing. Cristian Fiél erklärte uns im Gespräch, dass Anderssons „Tank leer war“, weshalb er ihn rausnehmen musste. Mit Schleimer erhoffte man sich nochmal eine andere Intensität im Anlaufen. In der Schlussphase schob phasenweise – bis zu seiner Auswechslung – Wekesser mit neben ihn, wodurch der Club im 3-4-2 agierte. Allerdings kam man auch so nicht mehr in höhere Balleroberungen und konnte keinen Ball mehr festmachen. Bälle festmachen gelang Andersson im 1. Durchgang gut, dieses Element fehlte dem Club in der Schlussphase gänzlich. Tatsächlich verzeichnete Nürnberg im 2. Durchgang keine einzige Aktion im gegnerischen Strafraum und gab in Unterzahl keinen Abschluss mehr ab. Durchaus kann man resümieren, dass man das Risiko in der Schlussphase vermissen lies, was aber wohl auch mit schwindenden Kräften zutun hatte.
Jeltschs gelungenes Startelfdebüt und Anderssons Belohnung
Die Niederlage und der Spielverlauf machen es gar nicht so einfach, faire Benotungen abzugeben. Fakt ist, dass Finn Jeltsch nach seiner bereits in der Vorwoche positiven Einwechslung nun auch von Beginn an überzeugen konnte. Auch wenn er beim 1:1 nicht unbeteiligt ist, bringt sein Mut, aktiv nach vorne zu verteidigen ein wichtiges Element mit. Sein Mut ist auch im Spiel mit Ball erkennbar, da er viele Bälle fordert und komplett ohne Eingewöhnungszeit bereits vorangeht. Ebenfalls positiv ist natürlich der Debüttreffer von Sebastian Andersson. „Was mich freut ist das Tor, weil das gibt natürlich jedem Stürmer Auftrieb“ resümierte auch Fiél nach der Partie. Ohne Wirkung blieben dafür die Einwechslungen von Okunuki und Schleimer, die keine Akzente mehr setzen konnten. Einige Clubfans werden sich die Frage stellen, ob man nicht Hungbo früher oder auch Kania hätte bringen können. Vor allem eine frühere Einwechslung von Hungbo, der mit seinem Tempo und Dribbling vielleicht auch mal eine Aktion in numerischer Unterlegenheit hätte auflösen können, ist ein Thema. Aber im Nachhinein ist man natürlich immer schlauer.
Was wäre wenn…
Goller das 2:0 macht? Nicht postwendend darauf der Ausgleich fällt? Castrop nicht vom Platz fliegt? Viele Fragen, auf die wir leider keine Antworten bekommen. Der Spielverlauf meinte es nicht gut mit dem Club, der bis zu den spielentscheidenden Aktionen gut in der Partie war. In Unterzahl verteidigte man mit viel Einsatz und Aufwand, bekam aber keinen Druck mehr auf den Ball. Im Ballbesitz waren die Wege nach vorne zu weit, wodurch es de facto keine Entlastung mehr gab. So konnte man nicht mehr an die starken Umschaltaktionen aus dem 1. Durchgang anknüpfen und verliert sehr bitter, aber dennoch verdient mit 2:1. Am Ende spricht auch Zorniger von einer „hochintensiven und hochattraktiven“ Partie. Kaufen kann sich der FCN davon aber leider nichts.
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